Gedichte (207) – Vegane Komplimente

Hallo zusammen,

beim Dichtungsring, unserer Lesebühne im Laika, die gestern ihren achten Geburtstag gefeiert hat, lassen wir uns ja immer für jede Ausgabe ein Thema geben, über das dann jeder möglichst einen Text schreibt. Diesmal war es das wunderschöne Thema ‚Vegane Komplimente‘.
Habt eine schöne Zeit!

Arno

Vegane Komplimente

Die Zeit, die bleibt nicht stehen
Wir müssen mit der Zeit gehen
Was einst als Kompliment brillierte
Und Zuneigung auch suggerierte
Ist nun oft nicht mehr zeitgemäß
Mancher fasste ans Gesäß
Rief und pfiff und brabbelte
Und während er so sabbelte
Fühlte er sich voll im Recht
Nur allen anderen wurde schlecht

Doch es geht eben noch weiter
Heute ist man viel befreiter
Es reicht nicht etwas Still allein
Vegan sollen Komplimente sein

Schon Lange bei Beleidigungen
Ist die Umstellung gelungen
Du Kartoffel, oder Lauch
Sind vegan und wirken auch

Du Würstchen wurde abgeschafft
Du Hund – darin steckt keine Kraft
Halt die Kresse, Blumenkind
Gewinnt dagegen Streit bestimmt

Leicht nennt man wen dumm wie Heu
Doch Komplimente, das ist neu

Will man jemanden verführen
Geht kein Honig ums Maul zu schmieren
Denn der ist halt nicht vegan
Und da fängt schon der Ärger an

Da muss man Heute schneller schalten
In ‚Heiß‘ ist leider Ei enthalten
Bei ‚Mäuschen‘ sehen Partner rot
Du bist die Butter für mein Brot

Oder ‚Schnitte‘ – klar im Grenzbereich
Bei Bärchen kommt die Scheidung gleich
Doch sagt der Partner zurecht ‚Boah‘
Zu: Du bist gehaltvoll wie Quinoa
Unsere Liebe, die hält eh
Ist wie schlechtes Tofu zäh
Statt der Schiller zu meinen Locken
Bist du der Hafer zu meinen Flocken
Du der Salat und ich die Tomate
Du der Wodka zu meinem Club Mate

So preist man heute zeitgemäß
Von oben bis unten, von vorn bis Gesäß
Der Partner begeistert und völlig enthemmt
Vom veganen Kompliment

Gedichte (206) – Es war einmal ein Wal

Es war einmal ein Wal

Es war einmal ein Wal
Dem war das Leben eine Qual
Einst hatte er ein Schiff verschluckt
Es hat ihn schlimm im Hals gejuckt
Nun trug der arme Wal
Stets einen dicken Schal
Mit dem war’s etwas besser
Im salzigen Gewässer
Doch Walhaut die ist rutschig
Glatt und ölig-flutschig
So dass sehr ärgerlich der Schal
Sich oft heimlich von danne stahl
Und eines fiesen Tages
Im Meer vor Anker lag es
Der Wal dachte „Och, nee“
Ein Boot der AfD
Da schwammen sie versonnen
Und quatschten tief in Wonnen
Von Flüchtlingen im Mittelmeer
Sie amüsierten sich wohl sehr
Sprachen völkisch-national
Dabei dachte sich der Wal
Beim zuhören und auch zuschauen
Guck, außen weiß und innen braun
Wie manche Sahnetorte
So viele dumme Worte
Da würgte er und endlich brach
Tief aus seinem Bauchgemach
Das Boot das er dereinst verschluckt
Das ihn von jeher so gejuckt
Es kam aus seinem Walesmund
Verließ den tierisch großen Schlund
Und stieg dank Luft darin empor
Dem Wal kam das Boot Spanisch vor
Es brach das andere Schiff entzwei
Zerbarst den Schiffesrumpf zu Brei
Da schwammen groß in Zahlen
Die völkisch-nationalen
Der Wal war äußerst heiter
Schwamm frohen Mutes weiter
Genoss das Juckreizende
Sein Kichern, das sprach Bände

Gedichte (205) – Abstieg

Abstieg

Er atmete so tief es ging
Die Natur um ihn herum
Die hier erstrahlte, wuchs und hing
Blühend, rund und bunt und krumm

Berührte ihn ganz ganz tief drin
Wenn es einst mal am schönsten ist
So ging ein alter Lebenssinn
Dann höre auf mit all dem Mist

Und der Moment er war gekommen
Einfach aufzuhören nun
So hatte er’s in sich vernommen
Schlüpfte drum aus seinen Schuhen

Stieg vom Rad, strahlte verzückt
Nutzte diese Lebenschance
Doch leider ward’s nur kurz geglückt
Dem Fahrer bei der Tour de France

Was folgte nennt man Massensturz
Sie fielen wie die Fliegen
Wenn man so will: sein Leid war kurz
Er fiel und blieb gleich liegen

Es hagelte viel Wutgeschrei
Doch er fand, wurde es ihm klar
Jetzt wo ihm alles einerlei
Ein Ende wo’s am schönsten war

Gedichte (200) – Ewige Rast

Ewige Rast

Ich rastete im Restaurant
Bestellte hungrig ohne Maß
Die Laune gut, so frisch der Teint
Da kam mein Essen und ich aß

Ließ auf der Zunge es vergehen
Dieser Moment war wunderschön
Hab Pause nur ganz kurz gemacht
Wie gut es aussah, wie es roch
Und ganz Goethe-like gedacht
Oh, Augenblick verweile doch

Ach, komm schon, bitte bleib doch hier
Und er blieb in der Tat bei mir
War auf’s pausieren jetzt gedrillt
Was ich dabei nicht bedacht
Das nicht in jedem Falle gilt
Das Wiederholung glücklich macht

Das beste Restaurantgericht
Schmeckt täglich dreimal leider nicht
Seitdem bleibt dieser Tag bei mir
Und täglich grüßt das Murmeltier

Mal um Mal wird aufgetischt
Der Teller voll, das Bierchen zischt
Tag für Tag und Nacht für Nacht
Da bin ich plötzlich aufgewacht

War kurz zum Freudenschrei bereit
Da sagt der Ober mir Bescheid
Es wär jetzt wieder Essenszeit.

Gedichte (197) – Der fehlerhafte Vorwurf der Verweigerung der täglichen morgendlichen Einstiegsmahlzeit

Der fehlerhafte Vorwurf der Verweigerung der täglichen morgendlichen Einstiegsmahlzeit

Der Vorwurf war ein Ungetüm
Ich wurde und zwar ungestüm
Der Frühstückensverweigerung
bezichtigt
Ohne Übersteigerung
Wird das hiermit berichtigt

Die Beschwerde war zum Sachverhalt
Und formuliert gar dergestalt
Dass ich zu früh zu Mittag esse
Weil ich das frühstücken vergesse
Oder diese Mahlzeit gar
Verweigere ganz sonderbar

Das stimmt allerdings schlicht
und ergreifend nicht

Ja es ist wahr, was ich beschreibe
Was morgens ich mir einverleibe
Ist zumeist ganz nach der Norm
Von allerfeinster Apfelform

Just weil es halt ein Apfel ist
Was mein Mund da isst und frisst
Mehr wird dabei nun zumeist
In der Tat auch nicht verspeist

Und es ist auch wirklich wahr
Mittags ist mein Hunger klar
Sehr früh schon mehr als deutlich da
Gigantisch, stark und wahrnehmbar

Doch trotzdem sorgt mir dieser Schluss
Den man da an den Kopf mir warf
Vom Apfel auf Essensbedarf
Für echten ehrlichen Verdruss

Denn wer mich kennt der weiß hinlänglich
Mein Hunger, der ist überschwänglich
Und das, das weiß man weit und breit
Schlicht zu jeder Tageszeit

Das Loch kann auch kein Apfel stopfen
Kein Knödel aus leckeren Topfen
Nicht mal ein ganzes großes Gnu
Hätte da das Zeug dazu

Das Frühstück halt ich minimal
Weil’s an Diät die kleinste Qual
Für den verfress’nen Körper ist

Um Dicklichkeiten zu vermeiden
Die würden mir nur Frust bereiten
Dann würd‘ noch mehr aus Frust ich essen
Meine Figur würde das stressen

Doch sei die Moral von der Geschicht
Zum Schluss für das Nahrungsgedicht
(An Wortwitz dabei nicht gespart)

Nochmal kurz auf den Punkt gegart:

Von Essen aller Art und Menge
Sei’s einzeln oder ein Gedränge
Bleibt leider und ganz unerhört
Mein Hunger stetig ungestört

Gedichte (196) – Ich wäre gern ein Teenager

Ich wäre gern ein Teenager

Ich würd so gern Teenager sein
Nicht im Anfangsstadium
Die Haut nicht sauber oder rein
Der Mund vor Stimmbruchsorgen stumm

Gemeint ist die Teeniefraktion
Mit Erwachsenenattitüde
Etwas vorgereift nun schon
So weise und im Ton gern rüde

Man lernt danach vom Leben mehr
Wird irgendwie erwachsener
Und weiß dann auch vor allen Dingen
Mit welchen Sorgen die so ringen

Die Sicherheit schwindet dem Wissen
Um die vielen Möglichkeiten
Es schrumpft manch inneres Ruhekissen
Ob Steuern, Kosten, Arbeitszeiten

Entscheidungen werden getroffen
Den Weg such ich mir heute selber aus
Das er begehbar ist bleibt dabei nur zu hoffen
Etwas lerne ich ganz zweifelsohne draus

Ich schlug mir aus dem Kopf so manche Faxen
Die Jugensünden sind vergessen und verziehen
So gerne wär ich irgendwann mal so erwachsen
Wie ich mir damals mit sechzehn schien.

Gedichte (195) – Ein Bösewicht-Gedicht

Ein Bösewicht-Gedicht

Igor war ein Bösewicht
Nur zufrieden war er nicht
Haderte mit seinem Job
Den Arbeitszeiten – na und ob!
Vandalismus, Räuberei
Erpressung oder Prügelei
Selbst das Werfen eines Steins
Böses tun – das war nicht seins
Nicht alleine, nicht im Team
Sein alter Vater sprach zu ihm:
Bösewichte hat es eben
In unseren Ahnen stets gegeben
Dein Papa, Onkel, Opa – schlicht
Jeder war ein Bösewicht
Doch das reichte Igor nicht

Das Argument verblasste schnell
Ihm fehlte intellektuell
Ein Grund für seine Profession
Klar, profitabel war es schon
Doch glücklich würde er nicht werden
Als Bösewicht auf dieser Erden
Grund sein, solch grausamen Leids
Hatte für ihn keinen Reiz

Er wollte nicht töten
Nur in der Sonne erröten
Niemals je in Herzen stechen
Dafür lieber auf Kuchenblechen
Wollte niemanden entführen
Lieber Hefeteig verrühren
Keine Gelder mehr waschen
Lieber backen und naschen

Und so besann Igor sich
Sprach: ‚Ich mache das nicht‘
Rief es heraus, stoppte das Morden
Und so ist ohne Graus
aus ihm ein Liebewicht geworden

Ein Bäcker, lieb, freundlich und weise
Das einzig‘ böse bei ihm sind die saftigen Preise

Gedichte (194) – In Fliegendingen

In Fliegendingen

Eine alte und höchst philosophische Fliege
Speiste am Abend beim Hundehaufen
Sie fragte sich: „Wie wird mein Ende verlaufen?“
Neben ihr eine andere aus der Fliegenriege

Die philosophische Fliege gebot
Der anderen innezuhalten und fragte
Als ihre innere Stärke verzagte
„Gibt es ein Leben nach dem Kot?“

Die andere hatte den Rüssel voll Dreck
Gestört im leckersten Abendmahl
Sie blickte nicht auf, flog nur kopfschüttelnd weg
Nicht interessiert am eigenen Verfall
Suchte zum essen nen anderen Fleck
Besseres als DEN Kot fand sie überall

Gedichte (193) – der schleichende Verfall

Der schleichende Verfall

Der Verfall kommt angeschlichen
Gewaltig faltig, die Jugend verblichen
Der Anblick stellt mir doch die Frage:
Warum schleicht er dieser Tage?
Hat er etwas zu verbergen?
Bringt er mit sich fiese Schergen?
Hat den Fall ja schon im Namen
Wird er tief und voller Dramen?

Versuchen wir uns zu besinnen
Wollen positives abgewinnen:

Etwas mehr Falten im Gesicht
Schaden mir vermutlich nicht
Und die lachfaltige Sorte
Verziert sogar manch glatte Orte

Lässt die Sehkraft dann bald nach
Sieht man auch das Ungemach
Anderer Falten nur unscharf und matt
Dadurch wirkt es wieder glatt

Dass ich jetzt kaum noch Bier vertrag
Macht günstiger manch Feiertag
Was da alles an Geld gespart
Wird fürs Alter aufbewahrt

Die Rückenschmerzen, Zipperlein
sind für meinen Arzt sehr fein
Von irgendwas muss der auch leben
So ist das wenn man altert eben

Wenn man ehrlich ist – Verfall
Gibt es schließlich überall
Das Kolosseum freute heute ohne
Einsturz niemanden die Bohne
Und wäre das Türmchen in Pisa nicht schief
Gäb es da keinen Touristentarif

Und falls dieser Text euch so gar nicht erfreut
Tut so als schwinde eure Hörfähigkeit

Gedichte (192) – Der traurigste Superheld der Welt

Der traurigste Superheld der Welt

Jochen ist ein Superheld
Und doch ist er sehr traurig
Er ist sehr stark und hat viel Geld
Von Paderborn bis Aurich

Keiner ist so stark wie er
Und er kann auch noch fliegen
Ist Stahl auch noch so dick und schwer
Er kann ihn verbiegen

Doch Jochen schläft viel, tut nur wenig
Lässt Hilferufe oft verhallen
Mancher wünscht ihn gar zum König
Er will nicht mal die Fäuste ballen

Er kommt kaum noch aus dem Bett
Hat keine Freude mehr am Job
An Ehrung oder Staatsbankett
Gibt’s dafür Gründe? Na, und ob!

Weit und breit gibt’s keine Schurken
Niemand kann sich mit ihm messen
Nix wie im Film, alles nur Gurken
Die ihn nicht die Bohne stressen

Ob Mafioso, Taschendieb
Wen er will, den fängt er gleich
Macht sie platt mit einem Hieb
Nicht gerade spannungsreich

Was soll er sich die Mühe machen?
Er kann ja doch nur Fliegen fangen
Ein paar Mal leicht heroisch lachen
Während sie in den Knast gelangen

Es ist doch alles purer Hohn
Sein dummes Dasein hier auf Erden
Länger grübelt er jetzt schon
Ein Superschurke selbst zu werden