Gedichte (210) – Pandabefreier

Hallo zusammen,

in letzter Zeit habe ich bei jeder Gelegenheit aus meinem zweiten Roman „Was man so alles tut kurz vor dem Weltuntergang“ vorgelesen (der sich angeblich übrigens sehr gut als Weihnachtsgeschenk eignet), aber natürlich schreibe ich auch weiterhin Gedichte, insbesondere für den Dichtungsring, der das nächste Mal am 3.Dezember im Laika in Neukölln stattfindet.

Habt eine schöne Zeit.
Viele Grüße
Arno

Arno Wilhelm – Pandabefreier

Peters Papa war der Chef vom Zoo der Stadt
Was macht ein Kind das zum Vater nun so einen hat?
Es macht natürlich tagtäglich die Tiere unsicher
Übertönt die Hyänen bei ihrem Gekicher
Frisiert die Löwenmähnen neu
Trainiert sie dann aufs Katzenstreu
Rutscht an Giraffenhälsen runter
Besprüht Nashörner in Einhornbunt
Und die Schwäne noch viel bunter
Kitzelt die Flamingos und
Schwimmt mit Robben durch den Teich
Bespuckt die Lamas gestenreich
Malt den Zebras Karos auf
Packt ihnen noch Sättel drauf

Doch ein Tier, das tut ihm leid
Sitzt rum zu jeder Tageszeit
Kaut Bambus, tut sonst gar nichts mehr
Der flauschiggroße Pandabär

Er war mal ein Raubtier doch raubt er nicht mehr
Das Zooleben quält ihn ganz zweifellos sehr
Drum öffnet der Peter ihm jetzt sein Gehege
„Lauf los Pandabärchen! Geh deiner Wege!“

Ruft Peter ihm zu, dieser Freiheitsbereiter
Dieser Tierfreund, so gut wie er ist kein zweiter
Der Panda der kaut und er guckt vor sich hin
Flucht und Freiheit stehen ihm nicht im Sinn
Peter spürt Frust und denkt „so ein Beknackter“
Der Panda futtert und grinst nur, später noch kackt er

Noch zwei Kilo Bambus nehmen ins Maul ihren Lauf
Da geben die beiden fast gleichzeitig auf
Peter schließt’s Tor, mit Blicken die strafen
Der Panda der legt sich nieder zum schlafen

Peter lässt den Panda in Ruhe seitdem
Nervt die andere Tieren alle so wie zuvor
Pandas sind für ihn ein schräges Phänomen
So viel Zufriedenheit kommt Peter seltsam vor

Gedichte (209) – Ein altes Märchen

Arno Wilhelm – Ein altes Märchen

Es war einmal ein ganz altes Märchen
Das hatte schon reichlich an weißgrauen Härchen
Es war an den Ecken ganz abgenudelt
Verschmutzt, verdreckt und elendig besudelt
Es liebte es nur, wenn du zitterst und bangst
Es war das Märchen von der großen Angst

Lange waren es Krankheiten aller Couleur
Verschafften der Angst tagtäglich Gehör
Doch sie nutzten sich leider ab mit der Zeit
Ein anderes Thema stand allzeit bereit

Ja, Ausländer konnte das Märchen sehr gut
Ernährte sich von all der erzeugten Wut
Von der Angst ließen die Menschen vorzüglich sich stressen
Irgendwas musste das Märchen halt essen
Schau wie der aussieht, redet und lacht
Da wäre Angst jetzt wohl angebracht
Riech wie der riecht und schau wie er guckt
Bis bei jedweder Fremde die Angst in dir zuckt

Die wollen für sich alle doch nur unser Bestes
Und hinterlassen uns hier kein Stückchen des Restes
Die wollen wohl alle so leben wie wir
Doch jetzt leben natürlich klar wir doch schon hier

Da kann nicht einfach jeder kommen und gehen
Seit Millionen von Jahren bleiben Menschen bestehen
Genau wie sie waren, samt Reichtum und Bier
Die Deutschen die lebten seit jeher schon hier

Das Märchen ist heute schon ganz fettgefressen
Glücklich elitär und erfolgsversessen
Es trifft seinen Freund, heute wird schön gekegelt
Sein bester Freund ist der Glaube, dass der Markt alles regelt

Gedichte (208) – Diagnose: Mimose

Einen wunderschönen guten Tag,

das folgende Gedicht ist als Themengedicht für den Dichtungsring im Oktober 2019 entstanden.

Alles Gute!
Arno

Arno Wilhelm – Diagnose: Mimose

Nun stellen sie sich nicht so an
Da könnt ja jeder kommen
Fassen sie nur mal die Narbe hier an
Ich hab mich damals nicht so benommen

Sagt wütend der Mann im Kittel
Ein Indianer, der kennt keinen Schmerz
Spricht weiter und füllt in die Infusion noch ein Mittel
Machen Sie hier nicht so nen nervigen Terz

Ma öfter auch raus gehen
Lachen sie mehr
Ich kann’s ihnen ansehen
Das fällt Ihnen schwer

Sich selber nicht so wichtig nehmen
Das gilt hier für viele, für Herr und auch Dame
Körpereigene Heilung bequemen
Nicht immer gleich groß in die Notaufnahme

Da wird es mir dann doch zu bunt
Sterne tanzen vor meiner Sicht
Gefallen lasse ich mir sowas nicht
Und tue laut meinen Ärger gleich kund:

Auch als Laie erkenn ich offene Brüche
Meine Haut ist verbrannt, da stecken noch Splitter
Mir entströmen übelst fiese Gerüche
Ich schwitze und blute und zitter

Die Fingerkuppe dazu abrasiert
Da frage ich mich dann doch mit Bedacht
Wo zum Teufel haben Sie denn studiert?
Er sieht mich an, grinst nur und lacht

Medizin sicher nicht, ich bin hier nur Patient
Wir haben uns auch nur durch Zufall getroffen
Der Kittel lag rum, was man Schicksal so nennt
Und jetzt nicht so laut, ich bin eh schon besoffen

Studiert hab ich die Kunde der Philosophie
Das Leben schickt einem oft die seltsamsten Grüße
Was Mittags passiert, das weiß morgens ich nie
Und mit den Worten zum Abschluss kotzt er mir auf die Füße

Gedichte (207) – Vegane Komplimente

Hallo zusammen,

beim Dichtungsring, unserer Lesebühne im Laika, die gestern ihren achten Geburtstag gefeiert hat, lassen wir uns ja immer für jede Ausgabe ein Thema geben, über das dann jeder möglichst einen Text schreibt. Diesmal war es das wunderschöne Thema ‚Vegane Komplimente‘.
Habt eine schöne Zeit!

Arno

Vegane Komplimente

Die Zeit, die bleibt nicht stehen
Wir müssen mit der Zeit gehen
Was einst als Kompliment brillierte
Und Zuneigung auch suggerierte
Ist nun oft nicht mehr zeitgemäß
Mancher fasste ans Gesäß
Rief und pfiff und brabbelte
Und während er so sabbelte
Fühlte er sich voll im Recht
Nur allen anderen wurde schlecht

Doch es geht eben noch weiter
Heute ist man viel befreiter
Es reicht nicht etwas Still allein
Vegan sollen Komplimente sein

Schon Lange bei Beleidigungen
Ist die Umstellung gelungen
Du Kartoffel, oder Lauch
Sind vegan und wirken auch

Du Würstchen wurde abgeschafft
Du Hund – darin steckt keine Kraft
Halt die Kresse, Blumenkind
Gewinnt dagegen Streit bestimmt

Leicht nennt man wen dumm wie Heu
Doch Komplimente, das ist neu

Will man jemanden verführen
Geht kein Honig ums Maul zu schmieren
Denn der ist halt nicht vegan
Und da fängt schon der Ärger an

Da muss man Heute schneller schalten
In ‚Heiß‘ ist leider Ei enthalten
Bei ‚Mäuschen‘ sehen Partner rot
Du bist die Butter für mein Brot

Oder ‚Schnitte‘ – klar im Grenzbereich
Bei Bärchen kommt die Scheidung gleich
Doch sagt der Partner zurecht ‚Boah‘
Zu: Du bist gehaltvoll wie Quinoa
Unsere Liebe, die hält eh
Ist wie schlechtes Tofu zäh
Statt der Schiller zu meinen Locken
Bist du der Hafer zu meinen Flocken
Du der Salat und ich die Tomate
Du der Wodka zu meinem Club Mate

So preist man heute zeitgemäß
Von oben bis unten, von vorn bis Gesäß
Der Partner begeistert und völlig enthemmt
Vom veganen Kompliment

Gedichte (206) – Es war einmal ein Wal

Es war einmal ein Wal

Es war einmal ein Wal
Dem war das Leben eine Qual
Einst hatte er ein Schiff verschluckt
Es hat ihn schlimm im Hals gejuckt
Nun trug der arme Wal
Stets einen dicken Schal
Mit dem war’s etwas besser
Im salzigen Gewässer
Doch Walhaut die ist rutschig
Glatt und ölig-flutschig
So dass sehr ärgerlich der Schal
Sich oft heimlich von danne stahl
Und eines fiesen Tages
Im Meer vor Anker lag es
Der Wal dachte „Och, nee“
Ein Boot der AfD
Da schwammen sie versonnen
Und quatschten tief in Wonnen
Von Flüchtlingen im Mittelmeer
Sie amüsierten sich wohl sehr
Sprachen völkisch-national
Dabei dachte sich der Wal
Beim zuhören und auch zuschauen
Guck, außen weiß und innen braun
Wie manche Sahnetorte
So viele dumme Worte
Da würgte er und endlich brach
Tief aus seinem Bauchgemach
Das Boot das er dereinst verschluckt
Das ihn von jeher so gejuckt
Es kam aus seinem Walesmund
Verließ den tierisch großen Schlund
Und stieg dank Luft darin empor
Dem Wal kam das Boot Spanisch vor
Es brach das andere Schiff entzwei
Zerbarst den Schiffesrumpf zu Brei
Da schwammen groß in Zahlen
Die völkisch-nationalen
Der Wal war äußerst heiter
Schwamm frohen Mutes weiter
Genoss das Juckreizende
Sein Kichern, das sprach Bände

Gedichte (205) – Abstieg

Abstieg

Er atmete so tief es ging
Die Natur um ihn herum
Die hier erstrahlte, wuchs und hing
Blühend, rund und bunt und krumm

Berührte ihn ganz ganz tief drin
Wenn es einst mal am schönsten ist
So ging ein alter Lebenssinn
Dann höre auf mit all dem Mist

Und der Moment er war gekommen
Einfach aufzuhören nun
So hatte er’s in sich vernommen
Schlüpfte drum aus seinen Schuhen

Stieg vom Rad, strahlte verzückt
Nutzte diese Lebenschance
Doch leider ward’s nur kurz geglückt
Dem Fahrer bei der Tour de France

Was folgte nennt man Massensturz
Sie fielen wie die Fliegen
Wenn man so will: sein Leid war kurz
Er fiel und blieb gleich liegen

Es hagelte viel Wutgeschrei
Doch er fand, wurde es ihm klar
Jetzt wo ihm alles einerlei
Ein Ende wo’s am schönsten war

Gedichte (204) – Ein Gedankengang

Ein Gedankengang

Es war mal ein Gedankengang
Den ein Gedanke ging entlang
Der Gang war schmal und wild gewunden
Der Gedanke wund geschunden

Noch nie zuvor war seinesgleichen
So weit kreuz und quer gereist
Um seine Ziele zu erreichen
Nur von Zuversicht gespeist

Nach unzähligen Gängen stand
Was er gesucht – ja so ein Glück
Die Lösung vor ihm an der Wand
Kehrte dann nach Haus zurück

Mit letzten Kräften heimgekehrt
Von seinen abwegigen Wegen
Wurde wie ein Gott verehrt
Von all den emsigen Kollegen

Und er sagte ihnen klar
Wie der Weg zu schaffen war
Für jeden Liebe, Ruhm und Geld
Zum Frieden auf der ganzen Welt

‚Sechsundsiebzig Kröten nur
Und eine Polstergarnitur‘
Mehr braucht es zum Frieden nicht
Erklärte er ganz stolz und schlicht

Er endete damit und dann
Sahen ihn die anderen fragend an
Verständnis war da nichts zu sehen
Sie schienen ihn nicht zu verstehen

Sein Rat, der ihm so glänzend schien
Sie konnten ihn nicht nachvollziehen
Diesen Weg steinig und schwer
Und auch er selber wusst’s nicht mehr

Er fühlte sich völlig benommen
Wie war er noch dahingekommen?
Der Rückschlag warf ihn völlig nieder
Nie verstand er jemals wieder
So sehr er in Erinnerung tauchte
Wozu man Couch und Kröten brauchte

So endete der Meisterplan
Weil niemand sonst zur Lösung kam
Oft hilft nicht Lösung allein
Auch der Weg muss schaffbar sein

Gedichte (203) – Bessere Probleme

Bessere Probleme

Es entstand ein Leguan
Der fing sich zu räkeln an
Der Schöpfer, der besah sein Schaffen
„Besser als die Rotarsch-Affen“

Brummte er nachdenklich leise
Er war weder Gott noch weise
Schöpfer wurde er genannt
Weil es in seinem Ausweis stand

Der Leguan war auch nicht echt
Gemalt war er und das recht schlecht
Er selbst wusste das leider nicht
Lief eilig weg der kleine Wicht

Doch allzu oft von Schwanz bis Ohr
Kam er sich furchtbar künstlich vor

Zur selben Zeit stand in Schwerin
Hansjörg Peter Valentin

Auf dem Amt für Antragssachen
Wollte einen Antrag machen
Der Name dieser Stadt Schwerin
Der deprimiere nicht nur ihn

Bevor alle zu Ärzten rennen
Könnt man die Stadt doch ‚Leichtin‘ nennen
Doch heute herrschte Sonntagsruh
Das Amt, das hatte leider zu

Vor Frust lief Hansjörg eilig weg
In das Städtchen Kirchheim-Teck
Traf zufällig den Leguan
Sprach: Was fangen wir nun an?

Sie starteten ne Startup-Gründung
Zur besseren Probleme-findung

Wer gerne jammert, reklamiert
Und sich dabei leicht verliert
Kriegt Sorgen, Ärger zugeteilt
Auf dass es ihn gar bös ereilt
Und er meckernd im Glück verweilt

Gedichte (202) – Schützenswerte Wörterwälder

Schützenswerte Wörterwälder

Ein Mann mit Namen Josopeit
War täglich vor gar nichts gefeit
Sein Auftrag der war: Sprache schützen
Würde es auch nicht lang nützen
Wollt er doch die Worte wahren
Verkörperte sie stets in Scharen

Warm war es in der Wäscherei
Da kam so völlig eididei
Voller Jux und Dollerei
Dieser Heiopei vorbei

Er brachte einen Anorak
Ein Blouson und einen Frack
Zwei ausgewasch’ne Liebestöter
Vor der Tür kläffte ein Köter

Weiter lief er, wollt sich sputen
Sein Aufzug, ja der ließ vermuten
Dass er – Gamaschen bis zum Haar
Beileibe gar kein Hipster war

Und just da sah er Vis-a-vis
Ein holdes Weib – so schön wie nie
Er dachte nur: Mich deucht, ich spinne
Ging rüber und er sang ihr Minne

Schrieb später ins Diarium
Das Rendezvous, ja das war dumm
Ich offerierte tausend Küsse
Und lukullische Genüsse

Doch fühlte sie sich drangsaliert
Der Gendarm hat ihn abgeführt
Die Zelle die war schlecht geschützt
Da ist er eilig ausgebüxt

Daheim herrschte ein Kuddelmuddel
Er brauchte dringend jetzt ne Buddel
Im Hintergrund die Flimmerkiste
Studierte er stolz eine Liste

Der größte Schatz den er besitzt
All die Wörter die er schützt
Mühselig zusamm’getragen
Aus dicken Büchern von Verlagen
Website-Wikis, zig Millionen
Gesprächen mit den Sprachikonen

Und jeder Quelle die er fand
Auf dem aktuellen Stand
Umfasst sie so viel Schabernack
Längst vergess’nes nicht zu knapp

Doch sperrt die Polizei ihn ein
Wird’s Sammeln jäh beendet sein
Er packt den kleinen Wackeldackel
Ohne allzu viel Gefackel
Und Klamotten notdürftig
Voll Drangsal und ohne Geschick
In den alten Kombi-Opel
Vielleicht gar bis Konstantinopel
Will er fahren ganz erpicht
Ins Kittchen will er wirklich nicht
Pustekuchen für Verfolger
Fulminant geht’s bis zur Wolga

Wo sind nur leere CDs?
Wo ist nur dieses Gefäß?
Er sucht dringlich die Rohlingspindel
Musik gegen all das Gesindel
Am Finanzmarkt wollt er hören
Das wird die Fatzkes zwar nicht stören
Doch ist Punkrock nicht verkehrt
Wenn man weit mit der Karre fährt

Der Plan war soweit wirklich Tutti
Er plauderte noch schnell mit Mutti
Am Wählscheibentelefon
Doch da zerschellte lautstark schon
Die Tür in Splitter – klitzeklein
Ein Polizist trat eilig ein

Der Schaden der war desaströs
Und unser Held gar sehr nervös

Der Wachtmeister nahm ihn gleich mit
Gab ihm auch noch einen Tritt
Verfrachtete ihn auf die Schnelle
In eine schnieke Einzelzelle

Der Richter sah den Häftling an
Vermaledeit, war der arm dran
Er ließ ihn frei und sprach: „Mein Jung
Achte weiter auf die Worte
Das ist Sprachvereitelung
Mein liebstes ist ja – Herrentorte.“

Gedichte (201) – Danke

Danke

In diesem kleinen Raucherraum
Seit nun schon beinah sieben Jahren
Erfüllt sich mir ein kleiner Traum
Zuschauer, manchmal in Scharen

Manchmal in geringen Mengen
Die uns hier die Ohren leihen
Wo Worte sich in Köpfe drängen
Lesende flüstern und schreien

Ein Raucherraum ganz ohne Rauch
Dafür ein Plätzchen für Gedichte
Musik und Gesänge auch
Und selbst für manche Kurzgeschichte

Neuling, Stammgast, alte Hasen
Die sich hier die Ehre geben
So manche von all diesen Nasen
Kenn ich schon mein halbes Leben

Ihr sitzt da im Publikum
Wir eine Winzigkeit erhöht
Man schreibt sich gern die Finger krumm
Für den Moment wenn man hier steht

Ihr mit Wasser, Weinen, Bier
Die ihr zuhört, sitzt und lacht
Danke, dass ihr all das hier
Zweimonatlich uns möglich macht