Gedichte (204) – Ein Gedankengang

Ein Gedankengang

Es war mal ein Gedankengang
Den ein Gedanke ging entlang
Der Gang war schmal und wild gewunden
Der Gedanke wund geschunden

Noch nie zuvor war seinesgleichen
So weit kreuz und quer gereist
Um seine Ziele zu erreichen
Nur von Zuversicht gespeist

Nach unzähligen Gängen stand
Was er gesucht – ja so ein Glück
Die Lösung vor ihm an der Wand
Kehrte dann nach Haus zurück

Mit letzten Kräften heimgekehrt
Von seinen abwegigen Wegen
Wurde wie ein Gott verehrt
Von all den emsigen Kollegen

Und er sagte ihnen klar
Wie der Weg zu schaffen war
Für jeden Liebe, Ruhm und Geld
Zum Frieden auf der ganzen Welt

‚Sechsundsiebzig Kröten nur
Und eine Polstergarnitur‘
Mehr braucht es zum Frieden nicht
Erklärte er ganz stolz und schlicht

Er endete damit und dann
Sahen ihn die anderen fragend an
Verständnis war da nichts zu sehen
Sie schienen ihn nicht zu verstehen

Sein Rat, der ihm so glänzend schien
Sie konnten ihn nicht nachvollziehen
Diesen Weg steinig und schwer
Und auch er selber wusst’s nicht mehr

Er fühlte sich völlig benommen
Wie war er noch dahingekommen?
Der Rückschlag warf ihn völlig nieder
Nie verstand er jemals wieder
So sehr er in Erinnerung tauchte
Wozu man Couch und Kröten brauchte

So endete der Meisterplan
Weil niemand sonst zur Lösung kam
Oft hilft nicht Lösung allein
Auch der Weg muss schaffbar sein

Gedichte (203) – Bessere Probleme

Bessere Probleme

Es entstand ein Leguan
Der fing sich zu räkeln an
Der Schöpfer, der besah sein Schaffen
„Besser als die Rotarsch-Affen“

Brummte er nachdenklich leise
Er war weder Gott noch weise
Schöpfer wurde er genannt
Weil es in seinem Ausweis stand

Der Leguan war auch nicht echt
Gemalt war er und das recht schlecht
Er selbst wusste das leider nicht
Lief eilig weg der kleine Wicht

Doch allzu oft von Schwanz bis Ohr
Kam er sich furchtbar künstlich vor

Zur selben Zeit stand in Schwerin
Hansjörg Peter Valentin

Auf dem Amt für Antragssachen
Wollte einen Antrag machen
Der Name dieser Stadt Schwerin
Der deprimiere nicht nur ihn

Bevor alle zu Ärzten rennen
Könnt man die Stadt doch ‚Leichtin‘ nennen
Doch heute herrschte Sonntagsruh
Das Amt, das hatte leider zu

Vor Frust lief Hansjörg eilig weg
In das Städtchen Kirchheim-Teck
Traf zufällig den Leguan
Sprach: Was fangen wir nun an?

Sie starteten ne Startup-Gründung
Zur besseren Probleme-findung

Wer gerne jammert, reklamiert
Und sich dabei leicht verliert
Kriegt Sorgen, Ärger zugeteilt
Auf dass es ihn gar bös ereilt
Und er meckernd im Glück verweilt

Gedichte (202) – Schützenswerte Wörterwälder

Schützenswerte Wörterwälder

Ein Mann mit Namen Josopeit
War täglich vor gar nichts gefeit
Sein Auftrag der war: Sprache schützen
Würde es auch nicht lang nützen
Wollt er doch die Worte wahren
Verkörperte sie stets in Scharen

Warm war es in der Wäscherei
Da kam so völlig eididei
Voller Jux und Dollerei
Dieser Heiopei vorbei

Er brachte einen Anorak
Ein Blouson und einen Frack
Zwei ausgewasch’ne Liebestöter
Vor der Tür kläffte ein Köter

Weiter lief er, wollt sich sputen
Sein Aufzug, ja der ließ vermuten
Dass er – Gamaschen bis zum Haar
Beileibe gar kein Hipster war

Und just da sah er Vis-a-vis
Ein holdes Weib – so schön wie nie
Er dachte nur: Mich deucht, ich spinne
Ging rüber und er sang ihr Minne

Schrieb später ins Diarium
Das Rendezvous, ja das war dumm
Ich offerierte tausend Küsse
Und lukullische Genüsse

Doch fühlte sie sich drangsaliert
Der Gendarm hat ihn abgeführt
Die Zelle die war schlecht geschützt
Da ist er eilig ausgebüxt

Daheim herrschte ein Kuddelmuddel
Er brauchte dringend jetzt ne Buddel
Im Hintergrund die Flimmerkiste
Studierte er stolz eine Liste

Der größte Schatz den er besitzt
All die Wörter die er schützt
Mühselig zusamm’getragen
Aus dicken Büchern von Verlagen
Website-Wikis, zig Millionen
Gesprächen mit den Sprachikonen

Und jeder Quelle die er fand
Auf dem aktuellen Stand
Umfasst sie so viel Schabernack
Längst vergess’nes nicht zu knapp

Doch sperrt die Polizei ihn ein
Wird’s Sammeln jäh beendet sein
Er packt den kleinen Wackeldackel
Ohne allzu viel Gefackel
Und Klamotten notdürftig
Voll Drangsal und ohne Geschick
In den alten Kombi-Opel
Vielleicht gar bis Konstantinopel
Will er fahren ganz erpicht
Ins Kittchen will er wirklich nicht
Pustekuchen für Verfolger
Fulminant geht’s bis zur Wolga

Wo sind nur leere CDs?
Wo ist nur dieses Gefäß?
Er sucht dringlich die Rohlingspindel
Musik gegen all das Gesindel
Am Finanzmarkt wollt er hören
Das wird die Fatzkes zwar nicht stören
Doch ist Punkrock nicht verkehrt
Wenn man weit mit der Karre fährt

Der Plan war soweit wirklich Tutti
Er plauderte noch schnell mit Mutti
Am Wählscheibentelefon
Doch da zerschellte lautstark schon
Die Tür in Splitter – klitzeklein
Ein Polizist trat eilig ein

Der Schaden der war desaströs
Und unser Held gar sehr nervös

Der Wachtmeister nahm ihn gleich mit
Gab ihm auch noch einen Tritt
Verfrachtete ihn auf die Schnelle
In eine schnieke Einzelzelle

Der Richter sah den Häftling an
Vermaledeit, war der arm dran
Er ließ ihn frei und sprach: „Mein Jung
Achte weiter auf die Worte
Das ist Sprachvereitelung
Mein liebstes ist ja – Herrentorte.“

Gedichte (201) – Danke

Danke

In diesem kleinen Raucherraum
Seit nun schon beinah sieben Jahren
Erfüllt sich mir ein kleiner Traum
Zuschauer, manchmal in Scharen

Manchmal in geringen Mengen
Die uns hier die Ohren leihen
Wo Worte sich in Köpfe drängen
Lesende flüstern und schreien

Ein Raucherraum ganz ohne Rauch
Dafür ein Plätzchen für Gedichte
Musik und Gesänge auch
Und selbst für manche Kurzgeschichte

Neuling, Stammgast, alte Hasen
Die sich hier die Ehre geben
So manche von all diesen Nasen
Kenn ich schon mein halbes Leben

Ihr sitzt da im Publikum
Wir eine Winzigkeit erhöht
Man schreibt sich gern die Finger krumm
Für den Moment wenn man hier steht

Ihr mit Wasser, Weinen, Bier
Die ihr zuhört, sitzt und lacht
Danke, dass ihr all das hier
Zweimonatlich uns möglich macht

Gedichte (200) – Ewige Rast

Ewige Rast

Ich rastete im Restaurant
Bestellte hungrig ohne Maß
Die Laune gut, so frisch der Teint
Da kam mein Essen und ich aß

Ließ auf der Zunge es vergehen
Dieser Moment war wunderschön
Hab Pause nur ganz kurz gemacht
Wie gut es aussah, wie es roch
Und ganz Goethe-like gedacht
Oh, Augenblick verweile doch

Ach, komm schon, bitte bleib doch hier
Und er blieb in der Tat bei mir
War auf’s pausieren jetzt gedrillt
Was ich dabei nicht bedacht
Das nicht in jedem Falle gilt
Das Wiederholung glücklich macht

Das beste Restaurantgericht
Schmeckt täglich dreimal leider nicht
Seitdem bleibt dieser Tag bei mir
Und täglich grüßt das Murmeltier

Mal um Mal wird aufgetischt
Der Teller voll, das Bierchen zischt
Tag für Tag und Nacht für Nacht
Da bin ich plötzlich aufgewacht

War kurz zum Freudenschrei bereit
Da sagt der Ober mir Bescheid
Es wär jetzt wieder Essenszeit.

Gedichte (199) – Gedicht für Jägermeister

Gedicht für Jägermeister

Du doofes olles Mistgetränk
Immer wirst du eingeschenkt
Ist es wirklich schon zu spät
Wer hat an der Uhr gedreht?

Ich bin betrunken, jemand fragt
Am nächsten Tag, der Schädel plagt
Vom fiesen Kräuterschnapsverzehr
Mein Magen gibt den Inhalt her

Und ich leide Stund um Stunden
Die Speiseröhre schwer geschunden
Und bereue jedes Mal
In meiner Jägermeisterqual

Nie ist es mir gut ergangen
Wenn dieser Schnaps hat mich gefangen
Denn ich trink ihn immer dann
Wenn ich nicht mehr klar denken kann

Was gibt es gutes noch zu sagen
Will zum Abschluss ich mich fragen:

Ist der Schnaps mir auch ein Graus
Das Logo sieht schon sehr cool aus.

Gedichte (198) – Wie es mir geht

Wie es mir geht

Du hast gefragt wie es mir geht
Wolltest hör’n wie’s um mich steht
Und ich, ich sprach von meinem Leben
Wie sich Schicksale verweben
Und wie es mir zuletzt erging
In welchem Netz ich mich verfing
Wie ich an den Gleisen stand
Und wünschte mir so sehr zu springen
Wie ich Kraft zum Umdrehen fand
Jedoch in dunklen Stunden ringen
Erinnerungen, Schmerzen, Bilder
In meinem Kopf ein trübes Meer
Dort treiben Ängste immer wilder
So riesengroß und zentnerschwer

Du hast gefragt wie es mir geht
Was jetzt dir im Gesicht da steht
Zeigt dein Bedürfnis dich zu trollen

Du hattest doch nur nett sein wollen

Gedichte (197) – Der fehlerhafte Vorwurf der Verweigerung der täglichen morgendlichen Einstiegsmahlzeit

Der fehlerhafte Vorwurf der Verweigerung der täglichen morgendlichen Einstiegsmahlzeit

Der Vorwurf war ein Ungetüm
Ich wurde und zwar ungestüm
Der Frühstückensverweigerung
bezichtigt
Ohne Übersteigerung
Wird das hiermit berichtigt

Die Beschwerde war zum Sachverhalt
Und formuliert gar dergestalt
Dass ich zu früh zu Mittag esse
Weil ich das frühstücken vergesse
Oder diese Mahlzeit gar
Verweigere ganz sonderbar

Das stimmt allerdings schlicht
und ergreifend nicht

Ja es ist wahr, was ich beschreibe
Was morgens ich mir einverleibe
Ist zumeist ganz nach der Norm
Von allerfeinster Apfelform

Just weil es halt ein Apfel ist
Was mein Mund da isst und frisst
Mehr wird dabei nun zumeist
In der Tat auch nicht verspeist

Und es ist auch wirklich wahr
Mittags ist mein Hunger klar
Sehr früh schon mehr als deutlich da
Gigantisch, stark und wahrnehmbar

Doch trotzdem sorgt mir dieser Schluss
Den man da an den Kopf mir warf
Vom Apfel auf Essensbedarf
Für echten ehrlichen Verdruss

Denn wer mich kennt der weiß hinlänglich
Mein Hunger, der ist überschwänglich
Und das, das weiß man weit und breit
Schlicht zu jeder Tageszeit

Das Loch kann auch kein Apfel stopfen
Kein Knödel aus leckeren Topfen
Nicht mal ein ganzes großes Gnu
Hätte da das Zeug dazu

Das Frühstück halt ich minimal
Weil’s an Diät die kleinste Qual
Für den verfress’nen Körper ist

Um Dicklichkeiten zu vermeiden
Die würden mir nur Frust bereiten
Dann würd‘ noch mehr aus Frust ich essen
Meine Figur würde das stressen

Doch sei die Moral von der Geschicht
Zum Schluss für das Nahrungsgedicht
(An Wortwitz dabei nicht gespart)

Nochmal kurz auf den Punkt gegart:

Von Essen aller Art und Menge
Sei’s einzeln oder ein Gedränge
Bleibt leider und ganz unerhört
Mein Hunger stetig ungestört

Rezension: Simon & Jan – Halleluja!

Simon & Jan, Foto: Michael J. Rüttger

Sie schreiben seit Jahren großartige Lieder, sind quasi unentwegt auf Tour, treten immer wieder im Fernsehen auf und haben bereits sowohl den Prix Pantheon, den deutschen Kleinkunstpreis als auch den bayerischen Kabarettpreis gewonnen. Es gibt also quasi keinen Grund, Simon & Jan nicht zu kennen. Nachdem sie schon eine Weile mit dem Programm ‚Halleluja!‘ auf Tour sind, kommt jetzt endlich auch die dazu passende CD, damit der geneigte Hörer daheim weiterlauschen kann. Die live aufgenommenen 19 Songs bestechen dabei sowohl textlich als auch musikalisch durch beeindruckende Vielfalt, samt versiertem Gitarrenspiel, Chören und Beatbox. Hin und wieder sind kurze witzige Ansagen dazwischen, das Publikum klingt zurecht begeistert.

Simon Eickhoff und Jan Traphan besingen viele Themen, von Ernst bis grobem Unfug, aber immer unterhaltsam. Songs darüber, wie der Mensch in Erziehung, Geschichte und Politik belogen wird, über Kunst und was nun wirklich keine Kunst mehr ist („Das kann weg“), dicht gefolgt vom ultimativen Song über Partnersuche („Eierleckende Wolmilchsau“). Zwischen kleinem Unfug bringen sie den Hörer immer wieder zum Nachdenken und Lachen. Eine Lebensweisheit wie „Das Leben ist ein Ponyhof, leider find ich Ponys doof“ bleibt dabei flankiert von Rhythmus- und Stimmungswechseln genauso in Erinnerung wie die Geschichten von Micha, dessen sehr schwieriges Verhältnis zu Tieren in „Tierische Weltgeschichte“ erzählt wird. „Emos kitzeln“ ist gleichermaßen musikalischer Sommerhit wie eine Ansammlung schöner Arten Spaß zu haben. Dass Simon & Jan ein Faible für Coversongs haben beweisen sie einmal mehr auf diesem Album, wo sie sowohl zweimal Deichkind mit hoher Publikumsbeteiligung als auch Leonard Cohen mit dem zum CD-Titel passenden Song würdig covern. Sie besingen die Absurdität der Welt und werfen kritische Blicke auf unsere Zeit („Weil ich kann“) und wehren sich in „Leck mich“ gegen die ständigen Verpflichtungen, blöde Aussagen und Panikmache. Dabei zeigen sie auch noch eindringlich, wie großartig man eine Loopstation einsetzen kann, man mag kaum glauben, dass der Song von nur zwei Leuten gespielt wird.

Bei den beiden scheint Helene Fischer einen Nerv irgendeiner Art getroffen zu haben, sie kommt in insgesamt immerhin drei Stücken auf die eine oder andere Art vor. Mit „Herzilein“, dem Blick zur Schlagerwelt und „Ach Mensch“, dem Blick zu Mensch und Religion, sind zwei Songs des letzten Albums auf der Live-CD enthalten. Speziell letzterer klingt beeindruckend druckvoll und hinterlässt Nachdenklichkeit. Das Album wird von „Sauf mit mir“ beschlossen, eine Hymne an einen gemeinsamen Abend von Jan und seinem Bier, der den Hörer gutgelaunt entlässt.

Insgesamt eine CD, die viele unterschiedliche Themen sehr gelungen anspricht und immer wieder herzhaft zum Lachen bringt. Sehr zu empfehlen.

Homepage: simonundjan.com
Band und Album bei Bandcamp: simonundjan.bandcamp.com

 

Rezension: Lautstärke ist weiblich

Hallo zusammen,

ich durfte für Slammin‘ Poetry die Anthologie „Lautstärke ist weiblich“ mit Texten von Slam-Poetinnen rezensieren. Ich kann sie sehr empfehlen. Es sind unglaublich viele verschiedene Texte darin, was sehr angenehm und spannend zu lesen war, nur das Zusammenfassen für die Rezension war durch diese Vielfalt eine Herausforderung.

Eines meiner Lieblingszitate ist dabei das Folgende:

„Der Versuch, alle Facebook-Status-Update zu lesen, ist
Wie einen Wasserhahn leer zu trinken“
Mona Harry

Die Rezension findet ihr unter: http://www.slammin-poetry.de/magazin/releases-clara-nielsen-nora-gomringer-hrsg-lautst-rke-ist-weiblich

Viele Grüße
Arno