Rezension: Thomas Sabottka – Land, Luft und Leichenschmaus

Guten Morgen allerseits,

ab sofort wird es hier auf dem Blog gelegentlich auch von mir verfasste Rezensionen geben. Bisher habe ich ja nur für Slammin‘ Poetry rezensiert, was ich auch weiterhin tun werde, aber ab sofort gibt es hier hin und wieder auch Rezensionen von Büchern, die dort nicht so ins Konzept passen. Los  geht’s mit dem neuen Buch von Thomas Sabottka. Er ist sozusagen ein Verlagskollege von mir und sein Roman hat mich schwer begeistert.

Ich wünsche euch eine wunderbare Woche,
Mit den allerbesten Grüßen,

Arno / Larry

In Brieskau-Finkenwalde, einem kleinen Ort in Brandenburg, brodelt viel unter der Oberfläche. Dunkle Geheimnisse in der Vergangenheit, die möglichst unter Verschluss bleiben sollen und in der Gegenwart seltsame Todesfälle, wohin man nur blickt. Und das, wo doch bald eine Investorengruppe vorbeikommen soll um zu beurteilen, ob sich das Örtchen als Standort für eine große lukrative Wellness-Oase eignet. Der Bürgermeister ist bemüht, den Glanz der Fassade von Brieskau-Finkenwalde zu wahren, aber ständig passieren neue Unglücksfälle, die die glorreiche Zukunft des Ortes bedrohen.

Thomas Sabottka hat mit “Land, Luft und Leichenschmaus” einen interessanten Versuch unternommen. Die Vielzahl von Charakteren in diesem Roman hätte leicht zu großer Verwirrung beim Leser oder zu einer grauen Masse langweiliger, flacher Charaktere führen können. Glücklicherweise ist genau das Gegenteil der Fall. Die vielen unterschiedlichen Charaktere in Verbindung mit der angehm lockeren Erzählweise Sabottkas lassen den Ort sehr belebt und vielfältig erscheinen. Jeder Einwohner hat seinen Platz, seine Motive und seine eigene Geschichte, die ihn mit dem Ort verbindet, manche regelrecht dorthin kettet.

Doch immer wieder passieren dieser Tage in Brieskau-Finkenwalde unangenehme Zwischenfälle, die dem Bürgermeister und seinen Mitstreitern das Leben schwer machen, nicht wenige davon mit tödlichem Ausgang. Manche beabsichtigt, andere purer Zufall. Zwischendurch drängt sich einem die Formulierung “sie fallen wie die Fliegen” geradezu auf. Doch Thomas Sabottka schafft es, das Geschehen im Buch so fein zu verstricken, dass jede Wendung, jede noch so kleine Unwahrscheinlichkeit, einen tieferen Sinn hat und sich in den Rahmen des Buches und des Ortes wie in ein großes Puzzle perfekt einordnet. Immer wieder stößt man auf Auflösungen für Geschehnisse, die vorher nicht unmöglich, aber doch ein wenig unwahrscheinlich waren, und erkennt plötzlich die tieferen Gründe.
Durch diese Vielfalt von Handlungssträngen und Menschen gepaart mit großem erzählerischem Können saugt der Roman den Leser schnell in sein kleines brandenburgisches Universum und lässt ihn nicht mehr los.

Die Verbindung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Ortes ist in “Land, Luft & Leichenschmaus” schön verflochten. Die Vergangenheit, deren schemenhafte Bedrohung allgegenwärtig scheint, die Gegenwart, die immer neue Probleme bereithält, die die Einwohner und allen voran der Bürgermeister in Ordnung bringen müssen und die hoffnungsfrohe Zukunft des Wellness-Tempels, der die auf Hochglanz polierte Fassade erst nötig macht.

Die Geschichte endet mit einem für einen Ort in Brandenburg geradezu epischen Finale, das abseits von Hollywood-Klischees all die Handlungsstränge zu einem wohlverdienten Ende führt.

Der neue Roman von Thomas Sabottka liest sich gut und leicht. Stellenweise hält man als Leser inne und stellt fest, wie besorgniserregend möglich die Geschehnisse des Buches sind. Die Verkettung von Habsucht, Machtgier und allerlei anderen niederen Motiven, die zu den dunklen Stellen in der Geschichte Brieskau-Finkenwaldes führt, scheint nur allzu greifbar zu sein.

Alles in allem ist “Land, Luft und Leichenschmaus” eine sehr unterhaltsame Lektüre, die einen in die Abgründe der Charaktere und des beschaulichen Landlebens eintauchen lässt. Das Buch macht bis zur letzten Seite Spaß und ist durch die Bank immer wieder für Überraschungen gut.
Vielleicht gibt es ja eines Tages ein Wiedersehen mit Brieskau-Finkenwalde in einem anderen Buch. Ich würde mich sehr darüber freuen.


Hinter verschlossenen Türen (6)

Einen wunderschönen guten Abend,

es wird mal wieder Zeit für einen neuen Teil von „Hinter verschlossenen Türen“. So langsam erkämpft sich die Story mehr Raum als ich eigentlich für sie vorgesehen hatte, aber es macht einfach Spaß sie zu schreiben. Über Rückmeldungen dazu freue ich mich natürlich wie immer sehr. Bald kommen auch wieder neue Gedichte, neue Auftrittstermine und Infos über die Veröffentlichungen für 2013 hier auf dem Blog. Man darf gespannt sein.
Ich wünsche ein schönes Wochenende,

Fühlt euch gegrüßt,
Arno / Larry

Hinter verschlossenen Türen – PDF

6.  Kapitel

Sie stürmten beinahe gleichzeitig um die Ecke und hin zur Tür. Lisa-Marie lag bewusstlos am Boden. Peter wollte zu ihr hin, doch eine Hand packte ihn an der Schulter und hielt ihn an Ort und Stelle.
»Was?«, entfuhr es ihm, während er sich mit verständnislosem Blick umdrehte.
Lewandowski sah ihn mit ernster Miene an und schüttelte leicht den Kopf ohne etwas zu sagen. Peter drehte sich zurück. Sofort wurde ihm klar, warum Lewandowski ihn zurückgehalten hatte. Lisa-Marie lag noch immer auf der anderen Seite der Tür. Der Versuch zu ihr zu gelangen hätte ihn ebenfalls zu Boden gestreckt, nur auf dieser Seite. Er spürte, wie es in ihm loderte. Wie sehr er Lisa-Marie beschützen wollte. Er musste sich zusammenreißen.
»Wo ist der Cop hin?«, hörte er Lewandowskis raue Stimme fragen. Als Peter keine Anstalten machte, erneut loszustürmen, lockerte sich der Griff an seiner Schulter. Er sah sich nach allen Seiten um.
»Er bringt erstmal den Gefangenen in die Zelle, vermute ich. Wahrscheinlich kommt er danach zurück oder… «
»Oder er ruft gerade Verstärkung«, beendete Lewandowski den Satz für ihn.
»Sag Skinny Bescheid – Plan B«, sagte Peter mit Blick zu Lewandowski. Der ließ ihn los und drehte sich weg. Im Gehen zog er sein Handy aus der Hosentasche.
Lewandowski musste sich aus dem Schussfeld begeben. Unter anderen Umständen hätte Peter ihn gerne an seiner Seite gehabt, samt all seiner Gadgets und elektronischen Spielereien. Aber wenn der Android zurückkehrte und sie Lisa-Marie befreiten, konnte es sein, dass der es dabei schaffte, Lewandowski zu identifizieren. Das konnte ihre Pläne für den dritten Oktober ruinieren.
Während Lewandowski sich entfernte, blieb Peter an der Tür stehen. Er vergewisserte sich, dass die beiden von Fluffy betäubten Androiden noch immer stillstanden und versuchte seinen Blutdruck niedrig zu halten. Er merkte, wie sehr ihm die Routine der Jobs nach der Zeit im Knast fehlte.

»Fluffy?«
Er sagte es leise, unsicher, ob sich dieser in der Nähe befand. Sofort lugte der Kopf des Androiden um die Ecke und sah ihn an. Er hatte neben Lisa-Marie gewartet.
»Wenn ich dir ein Signal gebe, trägst du sie hinaus. Bring sie zu mir dort rüber. Es sollte funktionieren. Sie darf auf keinen Fall verletzt werden, in Ordnung?«
Fluffy nickte, zog seine Pistole aus dem Holster am Gürtel und hob die bewusstlose Frau auf seine Arme. Der andere Cop war noch nicht zurückgekommen, es konnte sich nur um Minuten handeln.
Peter zog sein Handy aus dem Gürtel und rief Lewandowski an. Mittlerweile musste er in seinem Pick-up angekommen sein. Im besten Fall war er bereits dabei sich einzuloggen.
Peter hatte sich heute morgen von Fluffy die Zugangscodes für das Netz des Gefängnisses geholt und sie Lewandowski geschickt, für Notfälle. Hoffentlich schaffte der es, damit die Durchgangssperre wenigstens für ein paar Sekunden zu deaktivieren.
»Ich bin dran«, meldete sich Lewandowski.
»Hast du Skinny erreicht?«
»Der ist auf dem Weg. Sein Auto steht drei Blocks entfernt, das müsste zu schaffen sein.«
In diesem Augenblick erklangen die Sirenen. Nicht in der Ferne, sondern viel zu nah.
»Hast du… «, setzte Peter an, Lewandowski unterbrach ihn sofort.
»Ja, hab ich gehört. Ich muss mich beeilen, wenn sie erstmal den Rechner hier als nicht-staatlich identifiziert haben, werden sie mich augenblicklich aus dem Netz werfen. Es kann nicht mehr lange dauern.«
Seine Stimme klang gepresst und angespannt. Im Hintergrund erklang das ununterbrochene Klackern von Tasten.
Peter versuchte, die Richtung zu identifizieren, aus der die Sirenen kamen. Wenn er sich nicht irrte, dann von links aus Richtung Innenstadt. Er zog sich mit einem letzten Blick auf Fluffy, der die noch immer bewusstlose Lisa-Marie auf seinen Armen hielt, hinter die andere Hausecke zurück.
»Ich hab‘s«, rief Lewandowski. Die Euphorie war deutlich zu hören. »Jetzt oder nie!«
»Verwisch deine Spuren«, raunte Peter. In diesem Augenblick bogen die Polizeiwagen um die Ecke. Der Erste kam kurz vor der Tür zum Gefängnis zum Stehen, der Zweite mit quietschenden Reifen dahinter. Sicher waren noch mehr im Anmarsch.
»Fluffy, jetzt!«, rief Peter so laut er konnte und sah, dass Fluffy loslief und es durch die Tür schaffte. Ein Schuss fiel und der Android stolperte. Peter hielt das silberne Kreuz an seinem Hals umklammert und versuchte ruhig zu bleiben und zu begreifen, was passiert war. Der Schuss war nicht aus Richtung der Polizeiwagen gekommen. Es musste der Android gewesen sein, der Polizist, der vorhin einen Gefangenen hier eingeliefert hatte.
Peter sah vor seinem geistigen Auge, wie Fluffy hinfiel, wie Lisa-Marie von Kugeln übersät auf dem Boden aufschlug. Sah, wie er selbst um sein Leben rannte. Doch der Android lief weiter, als wäre nichts passiert, obwohl ihn die Kugel getroffen haben musste. Dabei schützte er noch mit seinem Körper den von Lisa-Marie. Kaum zu glauben. Wo blieb Skinny nur?
»Wir brauchen mehr Zeit!«, schrie Peter ins Handy.
»Okay, okay. Wenn ich den Code hier richtig einschätze, kann ich dir ein bisschen Zeit verschaffen.«
Mehr Klackern folgte, schneller als zuvor. Die Cops stiegen aus ihren Autos, nicht sicher, wie sie reagieren sollten. Es gab kein klares Programm für diese Situation. Aus ihrer Sicht feuerte ein Polizist im Inneren des Gefängnisses auf einen anderen außerhalb, der eine leblose Frau trug. Sie alle hatten ihre Waffen gezogen, doch bisher schoss keiner. Auch Fluffy war clever genug, keine Schüsse abzugeben.
»Okay, jetzt musst du nur den Gefangenen mitteilen, dass sie frei sind.«
Lewandowski sagte das ganz lapidar, als sei es nichts Weltbewegendes.
»Ich mach mich vom Acker, sonst hab ich hier auch gleich Besuch. Viel Erfolg!«
Peter überlegte einen Moment was er tun sollte, dann holte er tief Luft und rief: »Ihr seid frei! Lauft, so schnell ihr könnt!«
Blitzschnell zog er sich wieder ganz aus dem Sichtfeld der Cops zurück.
Für einen Moment schien nichts zu passieren, dann hörte er, wie hinter der Mauer jemand etwas von Freiheit schrie. Wie ein Lauffeuer ging der Ruf von Zelle zu Zelle. Peter wagte einen Blick um die Hausecke, im selben Moment peitschte ihm ein Schuss entgegen, der ihn nur knapp verfehlte. Er wusste nicht, ob er ihm oder Fluffy gegolten hatte, der jetzt in seine Richtung unterwegs war.
Peter hörte Lewandowski eine Querstraße entfernt wegfahren. Nein, er konnte das nicht sein, das Motorengeräusch kam auf ihn zu. Das war Skinny. Er hatte es endlich geschafft, seinen fahrbaren Untersatz herzubringen. Wieder ein Schuss, dann mehrere Schüsse in ihre Richtung. Immer wieder feuerte Fluffy jetzt nach hinten und schützte Lisa-Marie mit seiner Schulter. Gleich würden die Gefangenen beginnen, aus der Tür zu strömen.
Skinny riss das Steuer herum und kam mit einer Drehung schleudernd wenige Meter nach der Häuserecke zum Stehen. Erneut peitschten Schüsse. Peter betätigte den Auslöser in seiner Hosentasche. Die Explosion zerriss das schwarze Tape, das sie an der Tür angebracht hatten. Ein letzter Hauch von Ablenkung.
»Da rein!«, rief er Fluffy zu, der sofort begriff, was ablief und Lisa-Marie auf den Rücksitz bugsierte. Sie war gerade dabei, das Bewusstsein wiederzuerlangen und wehrte sich instinktiv gegen die mechanische Behandlung. Zum Glück schaffte er es, auch wenn sie vermutlich blaue Flecken davon tragen würde. Peter schmiss sich auf den Beifahrersitz, spürte ein unangenehmes Knirschen, als er auf dem Sitz aufkam, und rief laut: »Fahr los!«
Nichts passierte. Er drehte sich zu Skinny um und sein Magen vollführte einen Salto. Er hatte angenommen, Skinnys sicheres Auto, mit dem er so gern prahlte, wäre komplett kugelsicher, offensichtlich galt das jedoch nur für die Front- und Heckscheibe. Eine Kugel hatte bei seinem Wendemanöver das Seitenfenster durchschlagen und ihm den halben Hals aufgerissen. Die Menge an Blut, die aus der klaffenden Wunde strömte, ließ Peter würgen. Skinny rührte sich nicht. Jetzt blieb keine Zeit für nähere Untersuchungen, nicht mal für ein stummes Gebet. Die Polizisten kamen näher, Kugeln flogen ihnen um die Ohren. Die Glasscherben auf denen er saß machten das Ganze nicht angenehmer. So schnell er konnte, zog er ein Bein über die Mittelkonsole. Er schob Skinnys ein wenig zur Seite und trat mit dem linken Fuß das Gaspedal durch. Er überwand die Abscheu, die ihn bei der Berührung von Skinnys leblosen Händen überkam, griff ins Lenkrad und schaffte es knapp, nicht direkt in die nächste Hauswand zu donnern. Hinter ihm ertönte ein entsetzter Aufschrei, dann eine brüchige Stimme, die fragte: »Was ist passiert?«
Lisa-Marie war endgültig aufgewacht und hatte Skinnys Wunde bemerkt.
»Lass uns erstmal aus der Schusslinie kommen«, sagte Peter nervös, während er in die Seitenstraße einbog, aus der eben noch Skinny quietschlebendig erschienen war, um sie hier rauszuholen. So eine Scheiße.
Der letzte Blick zurück, bevor sie außer Sichtweite der Tür gewesen waren, hatte ihm gezeigt, dass es zwar immer mehr Autos der Bullen wurden, aber nur eines Anstalten machte, ihnen zu folgen. Mittlerweile drangen die ersten Gefangenen durch das Tor in die Freiheit und viele der Polizisten wandten sich diesem deutlich größeren Problem zu. Peter jagte die rote Schrottkiste so schnell sie konnte durch Berlins Innenstadt. Peter sah in den Rückspiegel, sie gewannen Abstand gegenüber dem Auto der Cops. Nicht weit vor ihm tauchte rechter Hand das Haus auf, in dem er sich die letzten Tage versteckt hatte. Unbewusst hatte er die ursprünglich geplante Route genommen, doch er fuhr weiter, um nicht auf das sichere Haus aufmerksam zu machen. Warum schalteten die Cops ihr Blaulicht nicht an? Um nicht zu viele Blicke auf sich zu ziehen?
Die Verfolgungsjagd ging nur wenige Minuten, in denen der Abstand zwischen ihnen immer größer wurde. Jetzt gaben die Polizisten auf und ließen sich zurückfallen. War ihr Auto defekt oder wirklich so langsam? In dem Augenblick hörte er ein leises Röcheln, dann ein Husten direkt neben sich. Vielleicht hatte Skinny doch noch eine Chance.
Peter atmete auf und wandte sich an seine Ex-Freundin.
»Weißt du die Nummer vom Doc noch?«
»Ja, wieso?«
Er zog sein Handy aus der Tasche und warf es ihr nach hinten.
»Sag ihm, dass wir ihm in zehn Minuten einen Besuch abstatten und dass er die Garage öffnen soll. Ich will keine unnötige Aufmerksamkeit.«
»Als ob wir da jetzt nicht schon genug von hätten«, seufzte Lisa-Marie leise.

Hinter verschlossenen Türen (5)

Einen wunderschönen guten Tag,

es hat lange gedauert, aber was lange währt wird hoffentlich gut. Hier kommt der neue Teil der Erzählung „Hinter verschlossenen Türen“ und bis zum nächsten sollte es bei weitem nicht so lange dauern. Es war ein aufregendes und herausragendes Jahr für mich, voller Höhen und mit angenehm wenig Tiefen, meinem zweiten Gedichtband, meinem Roman-Debüt, außergewöhnlich schönen Auftritten und vielen Menschen, die das Ganze sehr sehr großartig gemacht haben. Dankeschön an alle, die meine Texte lesen, meine Bücher kaufen oder zu den Auftritten kommen, das alles ist mir wirklich eine große Freude. Ich wünsche euch allen einen guten Rutsch ins Jahr 2013 und ein schönes Sylvester!

Mit den allerbesten Grüßen
Arno / Larry

Hinter verschlossenen Türen – PDF

5.  Kapitel

Auf dem Heimweg hingen sie beide schweigend ihren Gedanken nach. Ein paar Straßen entfernt hörte man die Polizeisirenen. Die Schlägerei war sicher noch in vollem Gange. Peter dachte darüber nach, was Lewandowski als Letztes gesagt hatte. Nicht, dass es ihm nicht auch schon durch den Kopf gegangen war. Es gab niemanden, der auf ihrem Gebiet besser war als Lisa-Marie. Sie hatte zwischen ihrem vierzehnten und zweiundzwanzigsten Lebensjahr in acht verschiedenen Disziplinen den Titel des deutschen Meisters oder Vizemeisters geholt, darunter Judo, Kickboxen, Siebenkampf und noch mehr Arten der Leichtathletik. Sie hatte ihm letztes Jahr die Medaillen und Trophäen bei sich zuhause gezeigt, kurz, nachdem sie angefangen hatten, sich auch außerhalb der Arbeit zu sehen. Wären sie bei einer professionellen Distanz geblieben, dann wäre alles anders gekommen. Seit ihrem letzten gemeinsamen Job hatte es keinen Tag gegeben, an dem er das nicht bereut hatte. Ein Moment des Zögerns im falschen Augenblick und alles war zunichte gewesen. Es hatte ihn wütend auf sie gemacht, in düsteren Stunden sogar hasserfüllt, aber er wusste, dass er nicht auf Lisa-Marie sauer sein sollte. Sie hatte einen Fehler gemacht, gut, aber die Planung hatten Alessio und Adamo versaut. Sie waren es, die die falschen Entscheidungen getroffen hatten. Sie waren es, auf die er sich konzentrieren musste. Bei ihrem Treffen früher an diesem Abend hatte er versucht mit den beiden darüber zu reden. Was er sagen wollte, stand ihm schon lange fest vor Augen.
»Wir machen es nach meinen Regeln«, hatte Peter gesagt. Ernst und nicht bereit, einen Millimeter davon abzuweichen. »Ihr habt ja bei der Sache mit Sony gesehen was passiert, wenn ihr die Pläne ohne mich zu fragen ändert.«
Adamo hatte zögernd zugestimmt, aber versucht, die Fehler bei der Planung ihres letzten Jobs herunterzuspielen. Er hatte sich darauf konzentriert, Peter den neuen Job zu erklären und die Umgebung. Peter war immer noch wütend darüber, dass sich keiner der beiden bei ihm entschuldigt oder auch nur den leisesten Anflug von Reue gezeigt hatten. Mit einem Achselzucken waren sie über das Thema seiner Gefangenschaft hinweggegangen. Und jetzt arbeitete er schon wieder für sie. Aber diesen letzten Job für die Beiden musste er einfach machen, für seinen Ruf und auch um wieder an Geld zu kommen. Danach war immer noch genug Zeit für Gerechtigkeit.
»Wenn wir sie rausholen wollen, müssen wir es bald tun. Es ist nicht viel Zeit bis zum 3.Oktober und nach deinem Ausbruch werden die Sicherheitsbedingungen im Knast bald schärfer werden«, sagte Lewandowski nachdenklich und riss Peter damit aus seinen düsteren Gedanken.
»Du hast recht.« Peter wusste, dass es keinen anderen Weg gab, wenn ihnen dieses Spiel gelingen wollte. »Ich brauche zwei Tage und möglicherweise einiges an Ausrüstung.«
»Meld dich bei mir wenn du einen detaillierten Plan hast«, antwortete Lewandowski. »An Ausrüstung kann ich dir alles besorgen, was der Markt hergibt.« Lewandowski war zuversichtlich, dass sie das schaffen würden. Mit Peter in Freiheit standen wieder ganz andere Möglichkeiten offen. An der Ecke Lukasstraße verabschiedeten sie sich und umarmten sich für einen Moment.
»Ich freu mich wirklich, dass du wieder da bist«, sagte Lewandowski noch, dann ging er davon. Peter sah ihm nach, wie er im steten, bläulich-kalten Licht der Straßenlaternen heimwärts ging. Aufrecht und in seinem Maßanzug gut gekleidet wie eh und je. Er war sich nicht sicher, ob es gut war, was sie vorhatten. Im eigenen Areal zu wildern war eine gefährliche Sache und wenn rauskam, dass Lewandowski damit etwas zu tun hatte, würde er nicht nur sein Geld und seinen Besitz, sondern auch seinen Ruf verlieren und Peter wusste nicht, was davon am schwersten wiegen würde.
In diesem Moment fiel in den Tiefen seines Gehirns ein Steinchen an seinen wohlverdienten Platz und ein weiteres Detail seines Gespräches am Abend kam ihm in den Sinn. »Warte mal kurz!«
Lewandowski drehte sich um und Peter schloss zu ihm auf. »Alessio meinte, du könntest mir noch was darüber erzählen, warum die letzten Tage so viel Trubel war. Was ist schiefgegangen bei den Vorbereitungen?«

Die nächsten 48 Stunden schlief Peter kaum. Er saß die meiste Zeit am Schreibtisch im Obergeschoss des Hauses, das er jetzt vorübergehend bewohnte. Er studierte Baupläne und Skizzen und machte sich Gedanken, wie der Job am besten gemacht werden konnte und wie Lisa-Marie am sichersten aus dem Knast zu holen war. Die Neuigkeiten, die Lewandowski ihm noch in der Nacht in aller Kürze erzählt hatte, waren besorgniserregend. Toni, ein Mitarbeiter der Uni, der für Adamo oder für irgendeinen Stellvertreter des Stellvertreters eines Untergebenen von ihm ein bisschen Drecksarbeit hatte erledigen sollen, hatte wohl Eins und Eins korrekt addiert und all seine Informationen über Alessio und Adamo an die Cops gegeben, in der Hoffnung, das Kopfgeld für die beiden zu kassieren und sein weiteres Dasein als reicher Mann zu fristen. Obwohl er nicht allzu viel wusste und obwohl Alessio und Adamo sich zeitnah und deutlich bei ihm bedankt hatten, hatten die Infos Staub aufgewirbelt. Egal ob es ein hochrangiger Mitarbeiter der Uni oder die gesammelte Datenverarbeitungsmaschinerie bei der Polizei gewesen war, irgendjemand war auf den Trichter gekommen, dass in nächster Zeit ein Coup gegenüber der Universität geplant sein dürfte. Daraufhin war der Schutz aller wertvollen Technik an der Universität bedeutend erhöht worden. Im Gegensatz zu früheren Jobs konnte er bei der Planung dieser Aktion auch nicht so frei agieren. Alle Daten, die er nicht im Netz fand, musste Skinny beschaffen, weil er sich – Großfahndung sei Dank – nur selten bei Tageslicht draußen sehen lassen konnte. Die Kameras auf allen öffentlichen Plätzen, in den Taxen, Bussen und Bahnen waren zweifellos mit seinen biometrischen Daten gefüttert und würden ihn in Windeseile identifizieren, sobald sein Gesicht zu sehen war. Nur nachts konnte er sich auch auf größeren Straßen relativ gefahrlos bewegen. Doch selbst unter diesen erschwerten Bedingungen kam er voran. Mittlerweile hatte er gemeinsam mit Lewandowski ausführlich Fluffy untersucht. Sie hatten keinerlei Signal gefunden, das von dem Roboter ausging, also würden sie ihn weiter benutzen. Im Idealfall würde er Lisas Befreiung so unkompliziert machen, wie seine gewesen war. Mittlerweile wurde es merklich heller an seinem Schreibtisch. Draußen ging tatsächlich schon wieder die Sonne auf. Montagmorgen. Peter zog sein neues Prepaid-Handy aus der Tasche und rief Lewandowski an. Im Gegensatz zu ihm selbst war Lewandowski nicht immer noch, sondern schon wieder wach. Peter nannte ihm den Treffpunkt und zählte die nötige Ausrüstung für Lisa-Maries Befreiung auf, dann beendete er das Telefonat. Zeit, schlafen zu gehen. Zu faul sich ins Schlafzimmer zu schleppen, streckte er sich einfach auf dem kleinen braunen Ledersofa aus und gab endlich der Erschöpfung in seinem Körper nach. In dem Augenblick, in dem sein Kopf die Polster berührte war er auch schon eingeschlafen.
Wach wurde er erst, als sich langsam wieder Dunkelheit über Berlin legte. Skinny berührte ihn an der Schulter und er schreckte auf.
»Alles fertig?«, fragte Skinny.
Peter nickte müde und musste sich konzentrieren, um nicht sofort wieder einzuschlafen.
»Mach mir bitte einen Kaffee, ich bin gleich unten.« Er sah auf seine Uhr. »Wir haben noch genug Zeit.«
Zehn Minuten später verließen sie das Haus. Trotz der lauen Sommernacht trug Peter einen Mantel mit hochgeschlagenem Kragen und eine tief ins Gesicht gezogene Schirmmütze. Er wollte kein Risiko eingehen. Eine Querstraße vor dem Gefängnis trafen sie sich mit Lewandowski, der mit seinem schwarzen Pick-Up gekommen war. Auf der Rückbank lag Fluffy, abgedeckt mit einem Tuch.
»Kommt mit«, sagte Peter, nachdem er den Androiden aktiviert hatte. Alle zusammen näherten sie sich dem Eingang des Gefängnisses. Peter blickte um die Ecke und hielt abrupt inne.
»Das hatte ich befürchtet«, sagte er und wandte sich mit ernstem Blick um. »Sie haben Wachen vor dem Gefängnis postiert. Zwei Androiden, ich vermute schwere Bewaffnung.«
»Hast du den Taser dabei?«, fragte er in Lewandowskis Richtung. Dieser zog aus seiner Tasche ein winziges schwarzes Gerät, nicht größer als ein Feuerzeug, das zwei kleine Zacken auf der Oberseite hatte. Peter zupfte Fluffys Uniform zurecht, so dass sie vernünftig saß, und reichte ihm dann den Taser.
»Wenn du an den Wachen vorbei bist, halte ihnen nacheinander das hier ins Genick und drücke den Knopf da unten. Dadurch sind sie handlungsunfähig und stören nicht weiter. Dann bring Lisa-Marie den Zettel in ihre Zelle und nimm sie mit bis zur Tür. Alles weitere besprechen wir dann.«
Er schob ihm ein kleines Kuvert in die Tasche. Der Android nickte und marschierte augenblicklich los.
»Das nenne ich mal ne Arbeitseinstellung«, sagte Lewandowski während Fluffy um die Ecke verschwand. »Wir sollten uns mehr von denen besorgen, dann wären die Jobs ein Kinderspiel.«
Skinny lachte leise, doch Peter war viel zu angespannt um daran irgendwas witzig zu finden. Er lugte um die Ecke, froh, dass die beiden Wachen noch stur geradeaus sahen. Hoffentlich hatten sie ihre Wärmebildkameras nicht standardmäßig an, sonst konnten sie hier leicht Probleme kriegen. Als Fluffy sich den Wachen weiter näherte blickten sie zu ihm, Peter hielt für einen Augenblick den Atem an. Doch die Wachen drehten sich kommentarlos zurück an ihre Plätze, ganz wie er gehofft hatte.
»Ich dachte Taser funktionieren nicht bei den Blechkisten«, sagte Skinny hinter ihm.
»Das ist kein einfacher Taser«, antwortete ihm Lewandowski leise. Er überlegte, wie er es in Worte packen konnte, die jemand wie Skinny verstand. »Für die handelsüblichen Varianten sind die Androiden kaum empfindlich. Den hier habe ich vor ein paar Jahren entwickelt. Er sendet einen elektromagnetischen Puls, der die Androiden lahmlegt, sie gehen nicht vom Netz, aber sie senden und empfangen nicht mehr und sind damit keine Gefahr. Das Problem ist, das Ganze funktioniert bisher nur an den dünnsten Stellen ihres Panzers, den Gelenken, und es ist nicht gerade leicht einen von denen da zu treffen. Da hat es unser neuer Freund vermutlich leichter als wir.«
Peter hörte nur mit einem halben Ohr zu, er betrachtete weiter Fluffy, der nun hinter den Wachen war. Mit zwei blitzschnellen Bewegungen brachte er den kleinen Taser in die entsprechenden Positionen und machte die Wachen kampfunfähig. Der Junge war echt Gold wert. Die beiden Wachen blieben stocksteif stehen und regten sich nicht mehr. Allein ihre mangelnde Reaktion auf die schnellen Bewegungen von Fluffy versicherten Peter, dass es geklappt hatte. Sollte irgendjemand hier vorbeilaufen, würde er kaum eine Veränderung bemerken, dennoch hoffte Peter inständig, dass sie keine Schaulustigen anlocken würden. Selbstgefilmte Videos davon wie sie Lisa-Marie halfen aus dem Knast auszubrechen fehlten ihm gerade noch zu seinem Glück.
»Es hat geklappt. Weiter geht‘s!«, sagte Peter halb nach hinten gedreht und unterbrach damit Lewandowski, der gerade versuchte, Skinny irgendeinen technischen Kunstgriff zu erklären, der für die Entwicklung des Tasers extrem wichtig gewesen war. Peter hatte durch die Krücken keine Hand frei und war froh, dass er Skinny und Lewandowski dabei hatte, die mühelos das bisschen Ausrüstung tragen konnten.
Fluffy war bereits verschwunden und es dauerte nur wenige Minuten, bis sich die dunkle Holztür wieder öffnete. Da war Lisa-Marie leibhaftig in denselben schlichten Klamotten, in denen Peter sie damals an seiner Zelle hatte vorbeigehen sehen. Sein Herz schlug heftig in der Brust, er spürte die Aufregung. Einsam in seiner Zelle hatte er nie etwas anderes als Wut auf sie gespürt, aber jetzt nahm er auch wieder wahr, wie sehr er sich zu ihr hingezogen fühlte.
»Bleib stehen«, sagte Lewandowski. Lisa-Marie stoppte mitten in der Bewegung und sah ihn irritiert an. »Du kannst hier nicht so ohne weiteres durch.«
»Hi erstmal«, sagte sie in einem Ton, von dem sich Peter nicht sicher war, ob er herablassend gemeint war oder ob sie einfach nur die Situation nicht einschätzen konnte.
»Hi«, sagte Peter mit einem Krächzen im Hals. Für einen winzigen Augenblick trafen sich ihre Blicke, dann blickte sie weg und sah stattdessen Lewandowski an.
»Aber ihr habt mich doch sicher nicht nur bis hierher bestellt, um kurz zu plaudern und dann wieder zu gehen, oder? Kann ich mich nicht einfach wieder an dem netten Cop hier festhalten?« Sie deutete auf Fluffy.
Peter, der seine Sprache langsam wiederfand, ergriff das Wort.
»Das geht nicht, dagegen ist der Durchgang gesichert, aber wir haben einen Plan und wenn nichts schief geht, bist du in wenigen Minuten hier draußen.«
Lisa-Marie blickte weiter stur zu Lewandowski, als würde sie sich mit ihm unterhalten.
»Und wie ist der Plan?«
»Bring zur Sicherheit noch das Tape an, man weiß ja nie«, sagte Peter an Lewandowski gewandt. Lewandowski nickte und machte sich daran, eine Rolle mit einer Art schwarzem Klebeband außen am Türrahmen anzukleben, das auf dem schwarz lackierten Grund kaum auffiel.
Peter sah auf die Uhr.
»Bis jetzt passt das Timing perfekt. Skinny, du zündest pünktlich um 21:05 Uhr, dann sollte alles so klappen wie bei mir«, sagte er entschlossen.
»Alles klar, Chef«, antwortete Skinny und machte sich vom Acker.
»Kann mir mal jemand erklären, was ihr vorhabt?« Lisa-Maries Stimme hatte einen zickigen Ton angenommen. Das hat man davon, wenn man versucht jemanden aus dem Knast zu holen, dachte Peter. Kein Stück Dankbarkeit. Aber was konnte man schon erwarten? In kurzen Worten erklärte er Lisa-Marie die nächsten Schritte im Plan und bedeutete ihr, in Deckung zu gehen. Dann zog er sich gemeinsam mit Lewandowski  zurück, um den Androiden nicht durch eine Bewegung abzulenken. Hinter der Hausecke sahen sie sich erwartungsvoll an. Noch zwei Minuten verblieben. Dann war es nur noch eine.
Die Explosion hinter dem Haus zündete pünktlich um fünf nach und im selben Augenblick hörten sie aus Richtung des Eingangs einen spitzen Schrei. Die Stimme klang weiblich.
Peter warf Lewandowski einen ernsten Blick zu.
»Ich hab da ein ganz mieses Gefühl.«

Gedichte (126)


Ungewissheit

Ich warte, sitze, denke nach
Träum Zukunftsträume Tag für Tag
Steh an der Kreuzung, darf nicht gehen
So viel voraus, doch nichts zu sehen
Tausend Wege, nur ein Ziel
Glücklich sein in diesem Spiel
Glücklich sein, glücklicher werden
Sich tagtäglich selber erden
Um nicht so hoch hinaus zu streben
Und dennoch nicht zu klein zu Leben
Nicht voller Angst, nicht arrogant
Ich selber hab es in der Hand
Den perfekten Weg zu finden
Mich auf Arbeit oft zu schinden
Dann mühsam Freizeit freizumachen
Für alle jene tollen Sachen
Von denen ich auf Arbeit dann
Beim ackern noch berichten kann

Bis zur Rente, Jahr für Jahr
Steh ich dann und wann am Tresen
Zurückblickend auf das was war
Und auf das was wär gewesen
Festgefahren und unbändig
Mittelmäßig, bodenständig

Irgendwie macht’s keinen Spaß
Das perfekte Mittelmaß

Gedichte (125)


Blut und Wasser

Sie sehen mir so ähnlich
Und sind mir doch so fremd
Die Zeit vergeht gemächlich
Gespräche sind wie stets gehemmt

Kaum etwas verbindet uns
Erinnerung und DNA
Alles ist nur Schein und Dunst
Schall und Rauch und viel Blabla

Blut ist dicker als Wasser
Doch Wasser hilft beim Überleben
Tag für Tag nicht aufzugeben
Der Mensch lebt nicht vom Blut allein
Vom Kind, Neffe und Enkel sein

Uninformiert sind sie und ich
Desinteressiert und neugierig
Gerade nah und doch so fern
Wie ein grad verblasster Traum

Irgendwie hab ich sie gern
Und kenne sie in Wahrheit kaum

Bald schon reis ich wieder ab
Ein bisschen froh dass ich sie hab
Der Mensch lebt nicht vom Blut allein
Doch ohne es kann man nicht sein

Gedichte (124)


Einen wunderschönen guten Abend,
der November ist vorbei, der NaNoWriMo im dritten Anlauf endlich geschafft und für den Dichtungsring vergangenen Dienstag habe ich auch ein paar neue Texte geschrieben, die ich euch nicht vorenthalten will. 
Bald kommt hoffentlich auch ein neuer Teil von „Hinter verschlossenen Türen“.
Bis die Tage,
Arno / Larry
 
Ein Vorschlag
 
Wenn Berlins Luft auf mir lastet
Meine Lungen mir verspastet
Denk ich jedes Mal voll Wonne
An weiße Strände, Meer und Sonne
Dann wär ich jedes Mal so gern
In Südfrankreich, Cote d’Azur
Nur die Sprache hält mich fern
Ich kann da rein gar nichts für
Bin nicht fähig sie zu lernen
Bin des Englischen zwar mächtig
Das funktioniert ganz wunderprächtig
Doch ist’s in England kalt wie hier
Was hilft die Sprache wenn ich frier?
Drum hätt’ ich’s gern
Und möcht‘s bald sehen
Dass die Franzosen mir jetzt lauschen
Und entweder Englisch lernen
Oder mit den Briten tauschen

Gedichte (123)

Aus dem Tagebuch eines Friseurmeisters

Wo lila ist,
da lass dich ruhig nieder
Böse Menschen
kennen keinen Flieder

Gedichte (122)

Kassettenkind

In lang vergangenen Kindertagen
konnt ich’s oft nur schwer ertragen
Wie schrecklich zäh die Zeit verstrich
Zum Glück gab’s einen Trost für mich:

Mein blau-schwarzes Kassettendeck
Stets bereit für neuen Stoff
Erzählte mir von Spaß und Schreck
Von noblen Taten und von Zoff

In frühen Jahren Hand in Hand
Benjamin Blümchen, der Zoo-Elefant
Hat mit Otto seinem besten Freund
Und Karla Kolumna die Stadt aufgeräumt

Später Alf, der bei Tanners lebte
Von Melmac hier zur Erde schwebte
Klein, mit braun behaarten Tatzen
Und hungrig auf das Fleisch von Katzen


Der Drache Flitze Feuerzahn
Als Kind schon an der Autobahn
Von seinen Eltern ausgesetzt
Doch mittlerweile gut vernetzt
Mit Rabe Raps voll Sturm und Drang
Und dem Captain Buddelmann

Ungestüm waren eh und je
Die Bande der TKKG
Tarzan, Karl und Klößchen
Mit der damals noch neuen Note
Und Gaby, die Pfote
In jener Millionenstadt
Die viel zu viel Verbrecher hat

Oft ging’s mit Bob, Peter und Justus,
Zum Knacken mancher harten Nuss
Von Rocky Beach am Schrottplatz Jonas
Sogar bis hin zum Amazonas
Sie konnten schwere Fälle lösen
Stets im Kampf gegen die Bösen
Denen sie die Karte reichen
Die legendären drei Fragezeichen

Und heute, viele Jahre später
Ist nach wie vor alles beim Alten
ich wuchs zwar viele Zentimeter
bekam Bartwuchs und erste Falten

Doch wenn schrecklich zäh Tage verstreichen
Bin ich oft schwer zu erreichen

Da surrt das iPhone vergeblich
Dann gibt’s klassischen Trost für mich:
Dann hör ich die drei Fragezeichen

Gedichte (121)

Ich wäre gern ein alter Mann

Ich freu mich schon auf meine Rente
Sitz stundenlang entspannt im Park
Füttere mal hier ne Ente
Geh mal da ein Stück spazieren
Ess selbst ganz viel Pürree und Quark
Hab Zeit zu Schreiben, Zeit zu lesen
Lass vom Essen mich verführen
Nie ist es so entspannt gewesen


Jetzt ist Zeit es zu genießen
Landschaft, Leben und Kultur
Seh die Blumen wie sie sprießen
Bestaune Wunder der Natur

Am Abend setze ich mich dann
Schön gemütlich an mein Fenster
So dass ich alles sehen kann

Nicht Tiere oder gar Gespenster
Nein, ich mein die jungen Leute
Ausgehfreudig auf der Balz
Beschau mir ruhig die ganze Meute
Öle mir noch kurz den Hals

Dann bring ich laut Beschwerden an

Dass früher alles besser war
Frau noch Frau und Mann noch Mann
Musik noch gut, Freundschaft noch wahr

Die Hosen längst nicht so zerrissen
Keine Piercings und Tattoos
Die Schuhe noch nicht so verschlisssen
Keine Handys, mehr Tabus

Den ganzen Abend wird gepöbelt
Jeder lässt mich alten Mann
Ich sitz da, ganz unvermöbelt
Und schau mir ihren Ärger an

Frei von der Leber weg zu schießen

Und den ganzen Lebensrest
Narrenfreiheit zu genießen
Ich weiß schon jetzt:
Das wird ein Fest

Gedichte (120)

Einen wunderschönen guten Tag,

der nächste Teil von „Hinter verschlossenen Türen“ lässt leider noch etwas auf sich warten, dafür gibt es jetzt erstmal ein paar Gedichte. Da ich auch dieses Jahr wieder am National Novel Writing Month teilnehme, wird es den nächsten Teil der Erzählung leider erst Mitte Dezember geben, dafür kommen sie ab da dann auch wieder schön regelmäßíg.
Ich wünsche euch viel Spaß mit den Texten, die für den gestrigen Dichtungsring entstanden sind.

Beste Grüße
Arno / Larry


S-Bahn fahren

Und schon wieder S-Bahn fahren
Um mich herum blühen Geschichten
Manch einer tönt mit Großgebahren
Ein anderer ruht zwischen zwei Schichten
So viele beisammen und jeder allein
Zwischen Trends und Moden
Zwischen Sein und Schein
Sie blicken zu Boden
Und sehen sich nicht

Ich sitz hier inmitten
Und schreib ein Gedicht
Über Wünsche und Bitten
Und all jene Sachen
Die die Wesen um mich
Zu Menschen machen
Die in jedes Gesicht
Die Züge meißeln
Und so viel erzählen
Wie sie sich geißeln
Und quälen
Was sie erleben
Wie sie ihr Geschick
In die Tage verweben
Meist genügt schon ein Blick
Und der Stoff reicht mir Jahre
Zum Schreiben und Grübeln
Das was ich erfahre
Dürft ihr mir nicht verübeln
Ich rate ja nur
Und interpretiere
Auf weiter Flur
Und analysiere
Was mir so
begegnet in meiner Welt

Ins Auge mir fällt
Tagtäglich in Scharen
beim S-Bahn fahren