Dem Ende entgegen (6)

Einen wunderschönen guten Abend,

es hat ein wenig länger gedauert, als ich gehofft habe, aber hier kommt nun der sechste Teil der Erzählung „Dem Ende entgegen“. Damit ist mehr als die Hälfte der elf Teile fertig. In ein paar Tagen berichte ich hier auch darüber, warum das so lange gedauert hat mit dem sechsten Teil, soeben ist nämlich mein neuer Gedichtband erschienen, aber wie gesagt, dazu gibt es in ein paar Tagen noch News. Ansonsten habe ich das Layout des Blogs ein bisschen verfeinert. In der Spalte rechts gibt es jetzt auch ein neues Feld, da kann man immer sehen, welches Buch ich gerade so lese.

Ich wünsche euch viel Spaß mit dem neuen Teil,

Mit den besten Grüßen,
Larry deVito

Arno Wilhelm – Dem Ende entgegen – Download Kapitel 1 – 6

Kapitel 6

Glücklicherweise war heute im Zoo nicht viel los. Die Warteschlange vor dem Tigerhaus ging nicht wie üblich bis hinter zu den Elefanten und Giraffen. Nur ein junges Pärchen mit Kind war noch vor ihm dran. Die würden bestimmt nicht allzu lange brauchen. Auch er war in jungen Jahren ein paar Mal mit seinen Eltern hier gewesen, doch damals war er noch zu klein, zu ängstlich und hatte überhaupt keinen Gefallen an den wilden Tieren gefunden. Der Junge vor ihm war vielleicht sieben oder acht Jahre alt, leckte an einem Eis und besah sich mit großen Augen die Welt um ihn herum. Seine Eltern schmiegten sich aneinander und unterhielten sich leise. Micha befiel ein Anflug von Wehmut um all die Dinge, die er noch hätte erleben können, wenn seine Diagnose anders ausgefallen wäre oder die Chancen auf Heilung besser stünden. Er würde nie eine eigene Familie haben, nie lernen was es bedeutete, Vater zu sein. Natürlich war auch nicht gesagt, dass er jemals das Gefühl, eine eigene Familie zu haben, kennengelernt hätte, selbst wenn ihm noch 50 Jahre oder mehr geblieben wären. In den letzten Jahren hatte er sich kaum um solche Dinge geschert. Er war sein eigener Lebensmittelpunkt gewesen und damit auch gut gefahren. Nur seit dem Tag im Krankenhaus, seit er wusste, wie bald es vorbei sein würde, hatte er immer und immer wieder das Gefühl, er hätte irgendetwas größeres, bedeutungsvolleres mit seinen Jahren tun müssen. Etwas, das nicht nur seinem eigenen, kurzfristigen Wohl diente. In die Forschung gehen und beruflich erfolgreich werden zum Beispiel oder eben privates Glück finden. Doch weder das Eine noch das Andere hatte in seiner Macht gestanden, was also hätte er schon groß anders machen können?
Vor dem Pärchen ging die Tür auf und zwei schlaksige Jungs, die Micha auf 16 oder 17 schätzte, kamen aus dem Tigerhaus geschlurft. Beide wirkten aufgedreht und begeistert.
„War das geil“, sagte einer von beiden gerade, als sie an Micha vorbeikamen. „Müssen wir morgen gleich wieder machen.“
Sein Kumpel nickte nur grinsend und strich sich die fettigen, langen Haare aus dem Gesicht. Micha dachte an die ersten Male, die er allein oder mit Freunden hier gewesen war. Die zitternden Hände, die Aufregung. Das war toll gewesen. Mittlerweile war es halb Nostalgie, halb Bewunderung für die Anmut der Tiere, die ihn regelmäßig in den Zoo brachte. Angst oder Aufregung verspürte er dabei kaum noch. Vor ihm hob der junge Familienvater seinen Sohn hoch und folgte seiner Frau in die Schleuse. Die Türen schlossen sich und Micha bildete nun ganz allein die Warteschlange.
Es dauerte nur wenige Minuten, bis die drei wieder da waren, ganz wie Micha es vermutet hatte. Der kleine Junge schrie und weinte während seine Eltern sich alle Mühe gaben, ihn zu beruhigen. Wahrscheinlich hatten sie gedacht, sie würden ihm eine Freude bereiten, in dem sie ihm diese anmutigen Tiere zeigten. Das Gesicht des Kindes zeigte nur Angst, wenn überhaupt, würde erst in ein paar Stunden ein wenig Begeisterung einsetzen. Bestimmt kauften sie ihm jetzt auf den Schreck ein Eis, oder eine andere Süßigkeit. Die meisten Kinder waren so leicht zu abzulenken. Schade, dass man das auf dem Weg ins Erwachsenenalter irgendwann verlor, dachte Micha, mit einem Gedanken daran, wie er die letzten Tage verbracht hatte, als er nun selbst die paar Schritte durch die Türen ging und den roten Knopf drückte, damit die Schleuse sich schloss. Die Türen zum Inneren des Tigerhauses öffneten sich und er trat ein.
Er befand sich in einer großen Hütte, deren Inneres rundum mit Holz verkleidet war. Nur von außen war das Metall zu sehen, das die Außenwände aus Sicherheitsgründen umgab. Der Boden war aus Stein und übersät mit Dreck, der aussah wie eine Mischung aus Essensüberresten und Exkrementen. Eine Ecke war mit Stroh ausgepolstert, ansonsten wirkte der Raum vollkommen karg. Die riesige Klappe durch die die Tiere im Sommer in ihr großes Gehege konnten, war heute verschlossen. Hier war die Luft viel stickiger als draußen. Der Geruch der Tiere war markant und mit nichts vergleichbar, das Micha je an einem anderen Ort gerochen hatte. Insgesamt gab es hier im Zoo vier Tiger. Am Hals und an allen vier Pfoten trug jeder von ihnen dünne, silberne Metallbänder, die mit hochentwickelten Mikrochips und jeder Menge anderer Technik bestückt waren, die Micha nicht verstand.
Das einzige Tigerweibchen lag heute schlafend in der Ecke mit dem Stroh, sie schien sich an dem Weinen des kleinen Jungen vor wenigen Minuten nicht gestört zu haben. Die drei Männchen liefen unruhig vor ihr auf und ab, bisher hatten sie Micha noch nicht wahrgenommen. Es war jedes Mal aufs Neue unglaublich, wie grazil und katzenartig sie ihre schweren Körper bewegten. Langsam, ruhig und bedrohlich. Unter ihrem orangen Fell mit den schwarzen Streifen konnte er sehen, wie die Muskeln sich bewegten. Er spürte wie sein Herz schneller schlug. Vorsichtig machte Micha ein paar Schritte in ihre Richtung. Eines der Tiere hatte ihn bemerkt und kam langsam auf ihn zu, ohne den Blick auch nur für eine Sekunde abzuwenden. Zwischen ihnen war kein Gitter, kein massives Glas, nicht mal eine Bretterwand, die den Tiger von Micha fernhielt. Kein Wunder, dass Kinder die Faszination dieser Situation noch nicht verstehen konnten. Instinktiv spannte sich jeder Muskel im Körper an und es gehörte viel Überwindung dazu, die instinktive Fluchtreaktion zu unterdrücken.
Von den anderen Tigern hatte sich keiner für ihn interessiert. Vermutlich war derjenige, der auf ihn zukam, so eine Art Chef unter ihnen, aber obwohl er schon so oft hier gewesen war, wusste Micha nicht genug von Tigern, als dass er sich damit sicher gewesen wäre. Nur wenige Zentimeter vor ihm blieb der Tiger stehen. Micha streckte seine Hand aus, doch der Tiger machte sich nicht die Mühe seinen massiven Kiefer danach auszustrecken sondern roch nur an dem Neuankömmling. Er wusste, was Micha wusste.
Auch wenn es an sichtbaren Barrieren mangelte, konnte er ihn doch nicht erreichen, zumindest nicht mit dem Kiefer und auch nicht mit den Tatzen. Dafür sorgten die kleinen Metallbänder. Von ihnen ging irgendeine Art von Feld aus, die sie auf Distanz hielt. Es fühlte sich an, als würde man eine sehr warme, hauchdünne Oberfläche aus Glas berühren, unter der so viel Strom entlang floss, dass es sich anfühlte, als würde sie ständig leicht pulsieren. Man konnte sie nicht sehen und bekam auch keinen Stromschlag, doch es war unmöglich hindurch zu fassen.
Langsam beruhigte sich sein Puls wieder und er begann, dem Tiger über das Fell zu streichen. So etwas ließen sich nur Tiger gefallen, die schon sehr lange hier im Zoo waren. Die jüngeren versuchten meistens in die Hand zu beißen oder liefen weg. Manchmal wurden Tiere frisch gefangen und kamen dann hierher, die sprangen die Besucher auch schon mal an, mussten aber auch irgendwann einsehen, dass sie nicht gewinnen konnten, ohne ihre Tatzen und ihr Gebiss zu benutzen. Die Besucher kamen immer mit dem Schrecken und dem ein oder anderen blauen Fleck davon. Wie wohl die Roboter aussahen, die dafür zuständig waren, wilde Tiere für die Zoos einzufangen, fragte sich Micha. Es gab so viel, über das er noch nie nachgedacht hatte und nun würden alle Fragen unbeantwortet bleiben. Er versuchte, sich den Geruch dieses Ortes tief einzuprägen, während er immer noch das weiche Fell des Tigers berührte.
In diesem Augenblick stieg ohne Vorwarnung seines Körpers ein starker Hustenreiz in ihm auf, so dass er es nicht mehr rechtzeitig schaffte, sich die Hand vor den Mund zu halten. Er hustete lautstark und sprenkelte das Fell des Tigers mit winzigen Blutstropfen. Alle Tiere im Raum hatten mitten in ihren Bewegungen innegehalten und blickten zu ihm, selbst das Tigerweibchen in der Ecke war aufgewacht und hatte den Kopf gehoben, während Micha sich vor Schmerzen beim Husten krümmte und wand, den Arm auf seinen Oberkörper gepresst. Wie in einem Western, wenn man den Saloon betritt, dachte Micha. Die vier Tiere starrten ihn bewegungslos an, es fehlte nur der Pianist, der aufhörte zu spielen und vielleicht ein Ballen Heu, der irgendwo durchs Bild flog. Das kurze, gepresste Lachen, machte den Husten nur noch schmerzhafter. Er konnte sich kaum auf den Beinen halten. Mit kleinen Schritten lief er zur Schleuse, die sich um ihn herum schloss und dann den Weg nach draußen freigab. Krampfhaft versuchte er möglichst ruhig zu atmen und brachte den Husten an der frischen Luft wieder unter Kontrolle.
Eine Gruppe Mädchen, vielleicht sieben oder acht, die nicht älter als 14 sein konnten, drängelte und schob sich an ihm vorbei, während er langsam den Eingangsbereich des Tigerhauses verließ. Niemand achtete auf ihn. Wahrscheinlich würden sie sich ein bisschen erschrecken, falls sie die Blutstropfen auf dem Fell des Tigers sahen. Micha hielt sich immer noch Bauch und Brustkorb, aber langsam beruhigte er sich wieder.
Nun gut, dachte er, die Erinnerung an seinen letzten Besuch hier hatte er sich schöner erhofft, aber er würde nicht noch einmal da hineingehen. Die schlechte Luft tat seinen kaputten Lungen alles andere als gut. Mühsam versuchte er sich zusammenzureißen und ging in Richtung des kleinen Cafés, in dem er nach den meisten seiner Besuche hier noch ein Bier getrunken hatte. Er überquerte den großen geteerten Platz, der die verschiedenen Teile des Zoos miteinander verband. Hier standen grell bunte Automaten, an denen man sich und seine Kinder mit Süßigkeiten versorgen konnte. Auf der anderen Seite des Platzes war das Café. Ein runder Raum, innen und außen quietschgelb gestrichen, bestückt mit kleinen Stühlen und Tischen. Außer ihm war heute niemand hier. Micha war froh, endlich eine Sitzgelegenheit zu haben. An einem kleinen, alten Servierautomaten drückte er den Knopf für ein großes Wasser, legte seinen Daumen zum bezahlen auf den Sensor und nach wenigen Sekunden öffnete sich eine Klappe, so dass er die Wasserflasche heraus nehmen konnte. Dazu angelte er sich noch eins der Briefpapiere, das mit dem Briefkopf des Zoos bedruckt war. Solches Briefpapier und Ansichtskarten mit allen möglichen Tieren darauf gab es hier zuhauf. Es war umsonst, wahrscheinlich weil es gute Werbung für den Zoo war.
Seufzend ließ er sich an einem der Tische nieder und trank die erste Hälfte der Wasserflasche in einem Zug aus. Den Entschluss, seinen Eltern einen Brief zu schreiben, hatte er bereits zuhause gefasst. Er musste es ihnen noch irgendwie mitteilen, sie durften es nicht erst erfahren, wenn schon alles vorbei war. Die Idee, den Brief gleich hier zu schreiben, war ihm dann auf dem Weg hierher gekommen. Nach einem letzten, beruhigenden Besuch bei den Tigern, würde es leichter von der Hand gehen, hatte er gedacht. So viel zu übersteigerten Erwartungen. Seufzend nahm er einen Stift vom Tisch und begann zu schreiben.

Hallo ihr Lieben,
entschuldigt, dass ich es euch nicht persönlich gesagt habe, aber was ich euch mitteilen muss

Micha hielt inne, zögerte, dann zerknüllte er den Zettel, warf ihn in den Mülleimer und holte sich ein neues Briefpapier, um von vorne zu beginnen. Schon die Anrede passte nicht. Wie brachte man etwas so gewaltiges auf Papier? Wie konnte er das mit der Diagnose erzählen? Erklären, warum er ihnen bisher nichts gesagt hatte? Was waren die richtigen Worte dafür? Sollte er ihnen sagen, was genau er vorhatte? Er spürte, wie Tränen seine Wangen hinunterliefen. Einige Minuten saß er einfach nur da und dachte nach, tief versunken in seinen Gedanken.
Dann begann er erneut zu schreiben.

Dem Ende entgegen (5)

Hallo zusammen,

weil’s momentan so schön rund läuft, kommt hier der fünfte Teil der Geschichte. Wir nähern uns der Halbzeit!
Bezüglich der Gattungsfindung habe ich zumindest bei Wikipedia ein gutes Zitat über Novellen gefunden:

„Als Gattung lässt sie sich nur schwer definieren und oft nur in Bezug auf andere Literaturarten abgrenzen. Hinsichtlich des Umfangs bemerkte Hugo Aust, die Novelle habe oft eine mittlere Länge, was sich darin zeigt, dass sie in einem Zug zu lesen sei.“

Ob das wohl das Richtige ist? Ich habe keine Ahnung…

Fühlt euch gegrüßt,
Sir Larry deVito

Arno Wilhelm – Dem Ende entgegen – Download Kapitel 1 – 5

Kapitel 5

Tim hatte sich auf eine Bank sinken lassen und versuchte, den Schmerz in seinem Rücken und seiner Hüfte zu ignorieren. Was für ein miese Idee es gewesen war, mit der U-Bahn zu fahren. Er wusste nicht genau, was ihn zu dieser Entscheidung bewogen hatte, aber er bereute sie im Moment zutiefst. Als er das letzte Mal in eine U-Bahn gestiegen war, konnten die Dinger noch nicht halb so schnell gefahren sein. Langsam drehte er die silberne Münze in seiner Hand, wegen der ihm nun sein Rücken so weh tat. Was hatte er auch während der Bahn-Fahrt mit ihr spielen müssen? Die Münze zeigte auf der einen Seite sein Profil und auf der anderen das von Helena. Am äußeren Rand waren ihre Initialen und das Datum ihrer Hochzeit eingraviert.
Es war sein Geschenk für Helena gewesen, an ihrem ersten Hochzeitstag. Am selben Tag an dem sie ihm die Taschenuhr geschenkt hatte. An dem Abend als sie gegangen war, hatte sie all ihre persönlichen Gegenstände aus der Wohnung mitgenommen, ihren Schmuck und ihre Klamotten, alles. Nur die Münze lag am nächsten Morgen noch in der Küche auf der Arbeitsplatte. Einzeln und trostlos, ohne eine Notiz und ohne eine Spur von ihr. An diesem elenden Morgen. Seither trug er sie immer bei sich und spielte immer dann mit ihr, wenn er besonders nervös war.
Auch die Situation in der U-Bahn war ihm unangenehm gewesen. Die hübsche blonde Frau neben ihm, die so penetrant laut Musik gehört hatte. Die ganzen Leute die ein- und ausgestiegen waren, mal dicht an ihn gedrängt, mal weit entfernt. Manche allein unterwegs, andere in kleinen Gruppen, aber alle so vollkommen anders als er, so fröhlich und vor allem so unglaublich nah. Ihre Stimmen, ihr Geruch. Er hatte sich sehr unwohl gefühlt. Warum war er überhaupt in die U-Bahn gestiegen? Was hatte er sich beweisen wollen? Möglicherweise eine Art Nähe zum „einfacheren“ Volk. Vielleicht hatte er versucht, wenigstens ein Stück zu sein wie sie, die er in den letzten Wochen so oft beneidet hatte. Was für ein lächerlicher Gedanke. Er war nicht wie sie, und würde es auch nie sein. Die Akademiker blieben unter sich und der Rest der Menschen wollte mit ihnen nichts zu tun haben. Tief in Gedanken darüber versunken, hatte er vergessen, sich auf die Münze zu konzentrieren, nur deshalb war sie ihm aus der Hand gerutscht. Was für ein Glück, dass ihm der junge Mann geholfen hatte, nach seiner idiotischen Bauchlandung.
Eigentlich war der Plan gewesen, vom Restaurant bis nach Hause mit der U-Bahn zu fahren, aber er hatte sich in der Bahn zu sehr vor sich selbst und dem jungen Mann geschämt, als dass er sich einfach wieder hätte hinsetzen können und so tun, als wäre nichts gewesen. Es war nicht mehr weit, das bisschen konnte er jetzt auch laufen, auch mit schmerzender Hüfte. Ein bisschen frische Luft würde ihm gut tun.
Früher hätte er sich nach so einem Erlebnis sein Handy geschnappt, Helena von der ganzen Sache berichtet und gemeinsam mit ihr darüber gelacht. Sie hätte ihm von ihrem Tag erzählt und davon, was sie heute noch vorhatte. Wie sie gemeinsam den Abend verbringen könnten. Solche Sachen hatten sie in den letzten Monaten ihrer Beziehung vernachlässigt, auch wenn es ihm währenddessen nie wirklich aufgefallen war. Doch in den letzten Wochen hatte er viel Zeit zum Nachdenken gehabt. Zeit zu überlegen, was zwischen ihnen schief gelaufen war. Er stand von der Bank auf und machte sich auf den Weg nach Hause. Noch aus seinen Jugendjahren kannte er sich hier in der Gegend bestens aus, auch wenn er schon lange nicht mehr zu Fuß unterwegs gewesen war. Zeit war schließlich Geld.
Seine Taschenuhr verriet ihm, dass es jetzt Viertel vor Drei war. Punkt 15.00 Uhr hätte er eigentlich ein Treffen der Ausbildungskommission gehabt, und um 17.30 Uhr ein Meeting mit zwei vielversprechenden Doktoranden, aber die Termine hatte er beide schon vor Tagen abgesagt. Seine offizielle Begründung war gewesen, dass er noch an dem Paper für die Konferenz Anfang Januar schreiben musste. Theoretisch stimmte das, er hatte sogar schon ein Thema für das Paper gehabt, aber da er nicht vorhatte die Konferenz noch zu erleben, spielte es keine Rolle, ob seine Stellungnahme zum „Einfluss der neuesten Strömungen in der Datenspeicherung auf die Wirtschaftlichkeit der universitären Lehre“ rechtzeitig fertig wurde oder nicht.
Beim Gehen tat die Hüfte weniger weh, als sie es eben noch beim Sitzen auf der kalten Bank getan hatte, dennoch humpelte er leicht.
Langsam füllten sich die Straßen wieder mehr mit Passanten, die Mittagszeit war vorbei und jetzt gingen die Leute vermutlich zum nächsten Punkt in der Tagesordnung über. Oder sie gingen einfach von einem Lokal ins Nächste, was wusste er schon, dachte Tim schulterzuckend. Bloß weil er sie aus der Ferne beneidete, und bei seinen Studien manche ihrer Verhaltensweisen untersucht hatte, bedeutete das nicht, dass er verstand, wie die Durchschnittsbürger ihren Alltag verbrachten, und wie sich das für sie anfühlte.
Tim beobachtete die Leute um ihn herum, während er gemächlichen Schrittes nach Hause ging.
Auf der anderen Straßenseite erkannte eine kleine Gruppe von Studenten, die im letzten Semester gemeinsam mehrere Seminare bei ihm besucht hatten. Sie liefen in die entgegengesetzte Richtung. Die beiden jungen Männer waren vielleicht Mitte 20 und hatten beide lange Haare. Der eine war groß und so dünn, dass er wahrscheinlich nur knapp an der Grenze zur Magersucht lag. Im Gegensatz dazu war sein bester Freund recht kräftig. Neben seinem mageren Kommilitonen hatte er immer regelrecht fett gewirkt. Der dünne von beiden hieß Harald, wenn sich Tim richtig erinnerte, und der etwas korpulentere hörte auf den Namen Timotheus, wurde aber von den meisten Theo gerufen. Die beiden wurden von einer jungen Frau begleitet, an die sich Tim noch allzu gut erinnerte. Sie hieß Anna und war in den Kursen immer sehr aktiv und wissbegierig gewesen. Eine hübsche Frau mit einem glatten, fein geschnittenen Gesicht, einem schlanken, durchtrainierten Körper, den sie auch gerne in knappen, eng anliegenden Klamotten zur Schau stellte, und einem beeindruckend flinken Verstand. Ihre kurzen blonden Haare standen auch heute wieder in alle Richtungen vom Kopf ab. Tim hatte sie attraktiv gefunden, sicherlich. Sehr attraktiv, aber nicht mehr. Doch irgendwann im Laufe des Semesters hatte sie sich ein bisschen in ihn verguckt. Von einem Tag auf den anderen fing sie an, ihm kleine Zettelchen mit Liebesgedichten zu schreiben und zuzustecken. Nach den Sitzungen war sie immer noch etwas länger geblieben und hatte versucht mit ihm zu flirten. Ursprünglich hatte er vorgehabt, sie als eine seiner Doktorandinnen aufzunehmen, aber ihre immer deutlicheren Annäherungsversuche waren ihm zunehmend unangenehm geworden. Eines Tages, als sie nach dem Seminar allein im Raum gewesen waren, hatte Anna versucht ihn zu küssen und ihm dabei auch noch an den Hintern gefasst. Das war der Tropfen gewesen, der für ihn das Fass zum überlaufen gebracht hatte. Es war notwendig gewesen, ihr Grenzen aufzuzeigen, und das hatte er auch mit deutlichen Worten getan. Mit wässrigen Augen und gekränktem Stolz im Blick war sie einige Minuten später aus dem Saal geeilt. Von da an war sie in keinem seiner Kurse mehr aufgetaucht und auch die beiden Jungs nicht. Inzwischen hatte sie sich wohl erholt. Zumindest sah es so aus. Sie und dieser Harald hielten Händchen. Da hatte der junge Mann sicher den Fang seines Lebens gemacht, dachte Tim und musste lächeln.
Im selben Augenblick, als Tim so dastand und sie lächelnd von der anderen Straßenseite aus beobachtete, sah Anna zufällig herüber. Ihre Blicke trafen sich für einen kurzen Augenblick und Tim bildete sich ein, für eine Sekunde erneut verletzten Stolz in diesen schönen braunen Augen aufblitzen zu sehen. Stolz und etwas anderes, das er nicht einordnen konnte. Auf diese Entfernung musste es fast Einbildung sein, und doch spürte er ein flaues Gefühl im Magen. Ein Gefühl von Schuld, auch wenn er seiner Ansicht nach im Umgang mit der Studentin alles richtig gemacht hatte. Doch der Moment ging vorüber, Anna drehte sich zu ihrem Freund und ging weiter, ohne ein Zeichen, dass sie ihn gesehen hatte. Als hätte sie einfach durch ihn hindurchgeschaut.
Versunken in dieser Flut von Gedanken war Tim kurz stehen geblieben, doch jetzt trottete er weiter. Er fand es immer wieder aufs Neue befremdlich, dass er in einer so großen Stadt so oft Leute sah oder traf, die er kannte. Natürlich bewegte er sich normalerweise in erster Linie auf dem Campus, da war das abzusehen, aber auch in der Stadt selbst war es nicht anders. Selbst wenn er einmal im Jahrzehnt zu Fuß unterwegs war.
Als er eine Viertelstunde später sein Appartement erreichte, schwitzte er vor Anstrengung. Er spürte leichtes Seitenstechen von der ungewohnten sportlichen Betätigung und zu allem Überfluss schmerzten sein Rücken und seine Hüfte noch immer. Helena hätte jetzt bestimmt ein paar wunderbare Hausmittelchen parat gehabt. Kalte Umschläge oder so etwas.
Immer und immer wieder diese verdammten Gedanken an Helena, er wurde sie einfach nicht los. Sie verfolgten ihn, wohin er auch ging, was auch immer er tat. Von Morgens bis Abends. Selbst in seinen Träumen waren sie noch da. Er sah auf die Uhr. Zwanzig nach Drei. Nichteinmal mehr fünf Stunden, dann würde es vorbei sein, dachte er. Es wurde langsam aber sicher Zeit sich zu verabschieden.

Dem Ende entgegen (4)

Guten Morgen allerseits,

damit wieder ein bisschen Bewegung in den Blog kommt, hier Teil 4 der Geschichte. Da ich darauf hingewiesen wurde, dass der Begriff Kurzgeschichte für eine Geschichte mit 11 Kapiteln ein bisschen unpassend ist, und ich mir bei der Definition dessen, was eine Novelle ist, auch nicht sicher bin, muss ich mir noch überlegen, was in Zukunft die passende Bezeichnung dafür sein wird.
Ich hoffe es gefällt euch weiterhin,

Mit den herzlichsten Grüßen,
Larry deVito

Arno Wilhelm – Dem Ende entgegen – Download Kapitel 1 – 4

Kapitel 4

Zögernd und mit Tränen in den Augen ließ Micha den Telefonhörer sinken. Er hatte seiner Mutter nichts gesagt. Das Gespräch war wie immer gewesen, wie so viele, die sie in den letzten Jahren geführt hatten. Ein bisschen was übers Wetter, Mitteilungen, wer in der Verwandtschaft gerade was tat oder mit wem Streit hatte, ein kurzer Bericht darüber, dass es mit der Hüfte seines Vaters langsam wieder aufwärts ging, und dann noch die obligatorische Frage, wie es bei ihm denn eigentlich so lief. Einen kurzen Moment hatte er gestockt, sich gefragt, was wohl passieren würde, wenn er es ihr sagte. Ihr sagte, was er vorhatte. Ein winziger Augenblick des Zögerns, doch der hatte gereicht um den ganzen Mut zunichte zu machen, den er sich für diesen Anruf zusammengekratzt hatte. Er hatte es einfach nicht fertig gebracht, ihre kleine heile Welt so zu zerstören. Es war feige, das wusste er, und es würde für sie wahrscheinlich viel schlimmer sein, wenn ihr im Nachhinein jemand anders diese Nachricht brachte, trotzdem hatte er sich nicht überwinden können. Nach ein paar kurzen Floskeln hatte er das Gespräch beendet und aufgelegt. Seine Hände zitterten und ihm war schlecht, doch wenigstens hatte der Hustenreiz wieder nachgelassen.
Sollte er sich nicht einfach zusammenreißen, nochmal anrufen und es hinter sich bringen? Mit einem flauen Gefühl im Magen streckte er die Hand aus, um zu wählen, ließ sie dann aber wieder sinken. Es war schon zu spät. Jetzt, wo sein innerer Schweinehund einmal gewonnen hatte, fehlte ihm die Selbstdisziplin, die Entscheidung noch zu ändern. Mit dem Handrücken wischte er sich die Tränen aus dem Gesicht, dann legte er das Telefon aus der Hand.
„Feigling“, sagte er laut, weil niemand anderer da war, der jetzt die Wahrheit aussprechen konnte. Weil es niemandem außer ihm selbst auf der Welt gab, mit dem er sprechen wollte. Langsam stand er von seinem Küchenstuhl auf, lief ins Schlafzimmer und zog sich ohne zu duschen frische Klamotten an. Körperhygiene spielte jetzt keine übergeordnete Rolle mehr in seinem Leben. Eine dunkelblaue Jeans und ein schwarzes T-Shirt, darüber ein schwarzer Wollpulli – die Klamotten passten wirklich prima zu seiner Stimmung der letzten Tage.
Während er sich dick einpackte, um der Kälte draußen standzuhalten, verabschiedete er sich in Gedanken von seiner Wohnung. Er würde nicht mehr herkommen, nie mehr. Sie konnte ruhig so unaufgeräumt bleiben, was interessierte es ihn schon, wie andere Menschen in Zukunft über seinen Ordnungssinn denken mochten. Er war schon zur Tür hinaus, da hielt er inne und lief noch einmal zurück. Neben dem Bett lag noch immer der Zettel aus der Klinik. Micha bückte sich und steckte ihn in die Hosentasche. Möglicherweise würde er den noch brauchen. Dann machte er sich auf den mühsamen Weg zur U-Bahn, für den er früher immer nur ein paar Minuten gebraucht hatte. Er wusste nicht was ihm mehr Energie geraubt hatte: Der Krebs oder die Tatsache, dass er jetzt wusste, dass er Krebs hatte. Dennoch musste er heute einfach noch etwas unternehmen. Auf den Zoo freute er sich schon richtig, vielleicht würde er dort auch sein schlechtes Gewissen wegen dem Telefonat mit seiner Mutter besser verdrängen können.
Die U-Bahn kam geräuschlos in den Bahnhof gefahren. Nur eine Handvoll Leute warteten hier, der abendliche Verkehr hatte noch nicht wieder angefangen. Die meisten Berliner saßen vermutlich irgendwo in einem Café oder schon in einer Kneipe, wenn sie heute überhaupt das Haus verließen. Micha stand mit den Händen in den Taschen da und fror trotz der scheinbar milden herbstlichen Temperaturen. Zumindest war von den Leuten um ihn herum niemand besonders dick angezogen, oder wirkte als würde er frieren. Als die Bahn hielt, stieg Micha ein und setzte sich in das nächste der langgezogenen Abteile. Die Türen schlossen sich und der Zug beschleunigte augenblicklich. Die mit Kunstfell gepolsterten Sitzbänke waren bequem und noch nicht zu sehr durchgesessen, nur farblich war dieser Zug nicht besonders gut geraten. Das Dunkelrot der Wände passte zwar zum dunklen Boden, aber das ausgeblichene Grün der Polster ließ den Zug alt und ein bisschen schimmlig wirken. Es war vermutlich ein älteres Modell. In diesem Abteil saßen nur zwei andere Leute. Eine junge blonde Frau las in einem zerfledderten Roman und wippte mit ihrem Fuß im Takt zur Musik, die aus ihren überdimensionierten Kopfhörern drang. Neben ihr saß ein Mann, den Micha auf Mitte 40 schätzte. Der Anzug, den er trug, fiel sofort ins Auge. Er war komplett schwarz und saß so perfekt, dass er maßgeschneidert sein musste. Das Material sah sehr teuer aus. Der Mann hatte kurze, schwarze Haare, zwischen denen allerdings schon die ersten grauen Strähnen zu erkennen waren. Sein Gesicht wirkte kantig, aber nicht unfreundlich. Die vielen Falten und tief eingegrabenen Augenringe ließen darauf schließen, dass er sich in seinem Leben nicht viel Ruhe gegönnt hatte. Micha war überrascht. Wenn er sich nicht irrte, saß er hier mit einem Professor oder irgendeinem anderen hohen Tier in einem Abteil, so etwas war ihm noch nie passiert. Auf jeden Fall musste es jemand sein, der in seinem Leben viel gearbeitet hatte. Micha hatte schon seit Jahren niemanden mehr gesehen, der so erschöpft aussah. Die meisten von ihnen nutzten nur die Taxis, vermutlich um nicht mit dem ungebildeten Pöbel in Berührung zu kommen. Doch irgendetwas passte nicht an diesem Mann. Ihm fehlte die typische Mischung von Stolz und Arroganz, die seinesgleichen normalerweise umgab. Er wirkte traurig, fast schon zerbrechlich. Seien Hände spielten nervös mit etwas silbernem. Bei genauerem Hinsehen erkannte Micha, dass es eine Münze war. Er drehte sie immer wieder in seiner Hand, ließ sie über seine Fingerknöchel wandern und danach eine Weile zwischen Daumen und Zeigefinger rotieren. Das wiederholte er wieder und wieder.
Während Micha noch überlegte, was es mit dieser Münze wohl auf sich haben konnte, nahm der Zug eine scharfe Kurve und dem Mann rutschte die Münze aus der Hand. Mit einem dumpfen Geräusch fiel sie zu Boden. Der Mann im Anzug hechtete ihr sofort hinterher, während sie über den Boden kullerte, als handele es sich um einen Gegenstand von unschätzbarem Wert. Doch der Zug war zu schnell für solche Manöver. Er verlor das Gleichgewicht und fiel hin. Die Frau mit den Kopfhörern sah kurz auf, widmete sich dann aber sofort wieder ihrem Roman ohne eine Miene zu verziehen. Micha sah die Münze vorbeirollen, griff zu und erwischte sie gerade noch rechtzeitig. In diesem Moment wurde der Zug langsamer, sie fuhren wohl wieder in einen Bahnhof ein. Während er noch einen kurzen Blick auf die Münze warf, stand Micha auf. Er musste sich am Geländer an der Decke festhalten, um nicht ebenfalls hinzufallen. Er streckte seine Hand aus und half dem Mann auf die Beine, dann gab er ihm seine silberne Münze zurück.
„Danke. Vielen Dank!“, sagte der Mann und lächelte dankbar. Micha nickte ihm einfach nur zu. Der Mann stand noch etwas wacklig auf den Beinen. Er wirkte verlegen und zerstreut. Während er sich nun ebenfalls mit einer Hand am Geländer festhielt, klopfte er sich mit der anderen den Staub von seinem Anzug, den er durch seine Bruchlandung aufgesammelt hatte. Als die Türen sich öffneten, stieg er sofort aus.
Micha nahm wieder Platz. Auf der Münze war das Profil einer Frau abgebildet gewesen, soviel hatte er gesehen. Gerne hätte er den Mann, der offensichtlich noch nie mit der U-Bahn gefahren war, gefragt, wer er war, und was es mit der Münze auf sich hatte, doch der Mann war zu schnell weg gewesen. Vielleicht war die Münze ein Erbstück, oder es war seine Freundin, Geliebte oder Ehefrau, die darauf abgebildet war. Er würde es nie erfahren.
Ihm wurde klar, dass er gerade das erste Mal seit Tagen nicht über die Diagnose, nicht über den Krebs nachgedacht hatte. Ihm kam der Gedanke, dass es wahrscheinlich nicht allzu klug gewesen war, sich die ganzen letzten Tage allein in seiner Wohnung zu verbarrikadieren. Zwar hätte es vermutlich nichts an seiner Entscheidung geändert und schon gar nicht an der Diagnose, aber der Sog des Selbstmitleids hätte ihn wohl weniger stark ergriffen, wenn er sich mehr unter Leute begeben hätte. Wenn er sich mit jemandem über das unterhalten hätte, was sich da in seinem Innersten zusammenbraute.
Am Bahnhof Zoo stieg Micha aus der Bahn und lief nach draußen, seine Gedanken schwankten zwischen seinem Selbstmitleid und Neugier, warum der Mann mit der Münze wohl so traurig ausgesehen hatte. Er nahm einen tiefen Atemzug von der kühlen Herbstluft und spürte im selben Moment, dass das keine gute Idee gewesen war. Augenblicklich fing er wieder an zu husten. Es schmerzte höllisch in seinen Lungen und er brauchte all seine Kraft und Konzentration um sich ein Stück von den Leuten um ihn herum weg zu schleppen. Er wollte nicht, dass jemand sah, dass er Blut spuckte.

Dem Ende entgegen (3)

Einen wunderschönen guten Tag,

es hat eine ganze Weile gedauert, aber jetzt ist der dritte von den elf Teilen der Geschichte endlich fertig. Ich hoffe er wird euch gefallen. Mit etwas Glück kommen die nächsten Teile wieder schneller,

Fühlt euch gegrüßt

Larry deVito

Arno Wilhelm – Dem Ende entgegen – Download Kapitel 1 – 3

Kapitel 3

„Ich will deine Stimme nicht mehr hören, ich will dich nicht sehen, ich will, dass du mich nicht anrufst. Ich brauche einfach Abstand, wenigstens für ein paar Wochen.“
Ihre Stimme klang nicht wütend oder aufgeregt, doch dieser kalte, nüchterne Ton machte Tim mehr Angst, als es ein hysterischer Wutanfall getan hätte.
„Das ist bei mir angekommen, du musst es nicht noch öfter wiederholen. Aber kannst du mir vielleicht verraten, warum? “
„Weil du mich nicht liebst…“
„Helena!“, unterbrach er sie. „Du weißt genauso gut wie ich, dass das nicht stimmt.“
„Lass mich einfach ausreden. Natürlich liebst du mich irgendwie, du hast Gefühle für mich, aber du liebst mich nicht so, wie du deine Arbeit liebst, wie du es liebst dich vor deinen Studenten wichtig zu machen und von ihnen angehimmelt zu werden.“
Ihre Stimme, die gerade eben noch fest und kräftig gewesen war, wurde schwächer und brach ab.
„Es ist nichts Besonderes passiert, während du weg warst. Aber vielleicht ist es gerade das. Es passiert nichts mehr – zwischen uns, meine ich. Irgendwie ist mir das in den letzten Tagen klar geworden und ich glaube, nichts in der Welt, nichts was du sagst, kann das jetzt gerade wieder ins Lot bringen. Ich habe das Gefühl, ich komm schon lange nicht mehr an dich heran. Als ob…“
Sie schien nicht zu wissen, wie sie den Satz vollenden sollte.
„Als ob was?“
Tim hätte nie gedacht, dass der Tag so enden würde. Voller Vorfreude auf Helena hatte er sich durch den Regen gequält, um endlich nach Hause zu kommen. Nur zwei winzige Tage war er weg gewesen, und doch hatte er sie schon so furchtbar vermisst, als wären sie ein halbes Jahr oder noch länger voneinander getrennt gewesen. Doch statt ihrem Lächeln und vielleicht einem vorgekochten Abendessen, hatte ihn im Flur ihrer gemeinsamen Wohnung ein bis an den Rand vollgepackter Koffer erwartet. Sie war im Wohnzimmer gewesen, in seinen antiken Schaukelstuhl gelehnt. Hatte einfach mit einer Tasse Tee in der Hand auf ihn gewartet, und ihm verkündet, dass es aus war.
„Als ob…“, fing sie den Satz ein weiteres Mal an. „Als ob du mich gar nicht mehr kennst.“
„Das ist doch blanker Unsinn. Und das weißt du! Was ist der eigentliche Grund? Was ist passiert während ich weg war?“
Seine Stimmung schwankte zwischen Wut, Trauer und unbeschreiblicher Frustration.
Er sah, dass sie weinte, und wusste nicht, ob er auf sie einreden, sie anschreien, oder sie in Ruhe lassen sollte. Vielleicht würde sie ja in den nächsten Tagen wieder zu Besinnung kommen, und alles wäre wie immer. Statt irgendetwas zu tun, stand er einfach nur da, auf der Suche nach den richtigen Worten, und sah ihr beim Weinen zu.
Und dann war sie weg. Einfach weg. Ein kurzer Abschiedskuss, ein paar gemurmelte Worte, Tränen in ihren Augen, dann die Tür, die ins Schloss fiel. Wie paralysiert war er dagestanden, vollkommen überfordert mit der Situation. Weit von dem Grad an klarem Denken entfernt, dessen er sich sonst so rühmte. Mit zitternden Fingern hatte er sich einen Brandy eingeschenkt und sich in den Schaukelstuhl gesetzt, in dem gerade noch Helena gesessen und auf ihn gewartet hatte. Was war hier passiert? Was für Gründe konnte es haben, dass Helena ihn verlassen wollte oder vielmehr gerade verlassen hatte? Dieser Satz, dass nichts Besonderes passiert sei in den letzten Tagen, war ja sicher nicht ihr Ernst gewesen. Hatte sie sich in einen anderen verliebt? Vielleicht war er wirklich zu viel in der Uni gewesen, aber das war doch nichts Neues. Das war schon als sie sich kennengelernt hatten so gewesen. Er konnte es sich einfach nicht erklären, es nicht begreifen.
Als die Flasche Brandy sich ihrem Ende entgegen neigte, hatte er bereits 14 Nachrichten auf Helenas Mailbox hinterlassen, ihr unzählige E-Mails geschrieben und erfolglos etliche Hotels abtelefoniert, wo ihn freundliche Computerstimmen darauf hingewiesen hatten, dass sie ihm über die Gäste ihres Hauses leider keinerlei Auskünfte geben dürften. Bisher hatte Helena weder zurückgerufen, noch sonst auf irgendeine Art und Weise reagiert. Zu gleichen Teilen betrunken, traurig und verwirrt legte er sich ins Bett und fiel schon bald in einen unruhigen Schlaf, aus dem er immer wieder hochschreckte, nur um Helenas Teil des Bettes verlassen und unberührt neben sich zu sehen.

Tims Gedanken kehrten in die Gegenwart zurück. Sein Blick schweifte zu dem kleinen Tisch am Fenster. Es war der Tisch, an dem sie auch damals gesessen hatten. An dem Tag, als er Helena den Antrag gemacht hatte. Einerseits kam er sich seltsam pathetisch vor, heute ausgerechnet hier essen zu gehen, andererseits wurde es dem Anlass auf eine ganz eigene Art gerecht. Wieder sah er auf die Uhr, es waren noch fast sechseinhalb Stunden. Seit er das letzte Mal geguckt hatte, waren nur ein paar Minuten vergangen. Das Restaurant in dem er saß, war minimalistisch eingerichtet, aber die Kombination der massiven schwarzen Tische mit den grauen und weißen Wänden hatte eine angenehme Wirkung. Zusammen mit dem gedämpften orangen Licht, das von den Strahlern überall im Raum ausging, sah der Raum geschmackvoll und edel aus. Bei jedem Besuch hier hatte Tim versucht einzuschätzen, ob es wohl damals noch von Menschen eingerichtet worden war, oder ob es Roboter nach Design-Katalogen und Richtlinien bestückt hatten. Bis heute war er sich mit der Antwort nicht sicher.
Aus dem Augenwinkel sah er, wie ein weißes Tablett das den Ausmaßen seines Tisches entsprach, sich wie von selbst in seine Richtung bewegte. Darauf stand sein Essen, ein Glas und eine Flasche Mineralwasser. Ursprünglich hatte vorgehabt, heute etwas außergewöhnliches zu essen. Ein Gericht, das er sich noch nie zuvor bestellt hatte, dazu vielleicht ein seltener Wein aus dem vergangenen Jahrtausend. Doch als er hier angekommen war, hatten ihm die Erinnerungen an Helena und die unzähligen Male, die sie hier zusammen gegessen hatten, den Appetit verdorben und er hatte einfach das Übliche bestellt. Das Tablett hielt direkt neben Tim an und schob sich langsam auf seinen Tisch. Der kleine graue, rechteckige Roboter, der darunter zum Vorschein kam, nutzte seine kleinen Greifarme, um es exakt auf die Tischplatte zu positionieren, dann rollte er wieder Richtung Küche davon.
Das Tablett war aus dünnem weißem Marmor und bildete einen schönen Gegensatz zur schwarzen, glatten Oberfläche des Tisches darunter. Das Essen sah aus wie immer und Tim wusste, dass es perfekt schmecken würde. Wie immer. Die Küchenroboter, die es gekocht hatten, machten keine Fehler, schließlich war dies hier ein nobles Restaurant. In den billigen Imbissen, wo mit veralteten Programmen und betagten, teilweise schrottreifen Robotern gearbeitet wurde, kam es durchaus vor, dass ein Schnitzel angebrannt war, oder ein Braten zu lange im Ofen gelegen hatte. Über diese Probleme hatte Tim im vorletzten Semester Studien durchgeführt, um die Problematik veralteter Technik und mögliche Mittel dagegen analysieren zu können. Doch hier gab es so etwas nicht. Diese Gleichmäßigkeit des Lebens, die er bisher immer so geschätzt hatte, hatte begonnen ihn zu langweilen. Perfektion, die so weit getrieben war, dass es uninteressant wurde. Es hatte schon angefangen, bevor Helena gegangen war, doch in den letzten Wochen fand er überhaupt nichts mehr, woran er sich noch wirklich erfreuen konnte. Er saß in einem der besten Restaurants der Stadt, vor sich ein tadelloses Angus-Steak, einem seiner Lieblingsgerichte, und doch konnte er nicht anders, als in Selbstmitleid und Trauer zu baden.
Eine Stimme hinter ihm riss ihn aus seinen düsteren Gedanken.
„Tim? Dich hab ich ja lange nicht gesehen. Wie geht’s dir?“
Schon bevor er sich umgedreht hatte wusste er, dass es Jakob war, Prof. Dr. Dr. Jakob Linz, um genau zu sein. Ein Kollege von der Uni, mit dem er sich immer gut verstanden hatte, auch wenn sie an verschiedenen Fachgebieten arbeiteten und kaum etwas miteinander zu tun hatten. Halbherzig zwang er seine Mundwinkel zu einem Lächeln als er zu Jakob aufsah, machte sich aber nicht die Mühe aufzustehen, als sie einander die Hand reichten.
„Mir geht es ganz gut. Und dir?“
„Super. Wir haben gerade ein neues Projekt begonnen.“
Jakob lächelte begeistert. In seinem schwarzen Maßanzug mit goldenen Manschettenknöpfen und gold schimmernder Krawatte wirkte er hier trotz der Exklusivität des Restaurants beinahe zu gut angezogen. Ein sportlicher Mann, dessen kantiges Gesicht und krumme Nase nicht so recht zu seinem außerordentlich hohen Intellekt passen wollten. Er wirkte nie wie ein Akademiker, eher als müsste er gleich zurück aufs Rugby-Feld. Beim Gedanken an seine nächsten Forschungen wirkte er stolz und glücklich, voller freudiger Erwartungen.
„Wir wollen die humanoide Neo-Robotik erweitern. Um das zu feiern, war ich mit Laurens und seiner Frau hier essen, die sind aber schon wieder weg. Momentan arbeiten wir zu dritt an dem Projekt. Wenn alles klappt werden wir den Robotern ein breiteres Spektrum an Emotionen und Ausdrucksmöglichkeiten zu geben.“
Tim hatte das Interesse schon nach dem „Super“ verloren. Während Jakob weitersprach, nickte er nur noch, lächelte, und murmelte hier und da unverständliche Laute. Nach ein paar weiteren Sätzen während denen Tim sich keinerlei Mühe gab, dem Monolog seines Kollegen zu folgen, war das Gespräch vorbei und Jakob verabschiedete sich in Richtung Tür.
So war es Tim immer gegangen in den letzten Wochen, bei jeder einzelnen Unterhaltung. Mit Studenten ebenso wie Kollegen. Er wusste, dass ihn ein solches Projekt früher brennend interessiert hätte, wahrscheinlich hätte er Jakob an seinen Tisch gebeten und sie hätten gemeinsam noch stundenlang begeistert darüber diskutiert, was die nächsten Schritte in der Robotik waren und wie das die Wirtschaft und die sozialen Verhältnisse beeinflussen würde. Doch nun versuchte er nur noch jede Form der Unterhaltung zu meiden, oder möglichst schnell hinter sich zu bringen.
Tim starrte auf seinen Teller hinab. Das Steak war mittlerweile kalt geworden. Er aß ein paar Bissen davon, stocherte lustlos im Gemüse und den Bratkartoffeln, dann entschied er sich zu gehen. „Der Appetit kommt beim Essen“, hatte seine Mutter früher immer gesagt, und ihm bei jeder Mahlzeit Nachschlag auf den Teller geschaufelt. Heute war er sich nicht mehr sicher, ob das so stimmte.
Mit einem Schulterzucken schob er den Teller von sich, stand auf, zog sich seinen Mantel an und ging Richtung Ausgang. Wieso war er überhaupt hierhergekommen? Dass dieser Ort der Erinnerungen an seine Zeit mit Helena ihm keine angenehme Stimmung bescheren würde, hätte er sich auch denken können, dachte Tim verärgert. Wie sollte er den weiteren Tag verbringen? Was gab es noch, was er gerne tun wollte? Auf diese Frage hatte er noch immer keine Antwort.
An der Tür angekommen, drückte er seinen Finger auf den Scanner. Das Geld für das Essen würde ihm automatisch vom Konto abgebucht werden. Die Tür schwang auf und eine metallische Stimme verabschiedete ihn mit den Worten:
„Vielen Dank, dass sie unser Gast waren. Beehren Sie uns bald wieder!“
Er hätte nicht hierher kommen sollen, dachte Tim.

Gedichte (104)

Langer Atem

Die zarte Morgenröte
Die am Horizont erglüht
Wo die aufsteigende Sonne
Leuchtend ihren Glanz versprüht

Man hört der Vögel leises Zwitschern
Es rauscht sanft im Blätterdach
Der Himmel blau und wolkenlos
In dem Moment werde ich wach

Dieser Woche zweiter Tag
Schickt sich an, recht zu beginnen
Schließt mit der achten Stunde ab
Bin noch verträumt und wie von Sinnen

Just in diesem Augenblick
Trifft mich der Sonnenstrahlen Schein
Und ein Gedanke zieht vorbei:
So langatmig kann Lyrik sein

Zaubert Bilder für den Leser
Voller Schönheit, voller Macht
In Prosa hieß es kurz und knapp:

Dienstag Morgen, kurz nach acht
Bin gerade aufgewacht.

Gedichte (102)

Ich wäre gern ein Kind

An langen arbeitsreichen Tagen
Ohne Antwort, voller Fragen
Ohne Ruhe, voller Müh
Arbeitsam von morgens früh
Stetig bis zur späten Nacht
Wenn nichts passiert was fröhlich macht
Dann kommt’s mir manchmal in den Sinn
Wär gerne anders als ich bin

Ich wäre gern ein Kind
Weil Kinder einfach einfach sind
Jünger, kleiner, faltenfrei
Die Welt wäre mir einerlei

Auf kurzen Beinen würd‘ ich stehen
Würd‘ den Tellerrand kaum sehen
Doch große Sorgen hätt‘ ich auch:

Was drückt und zieht in meinem Bauch?
Wo ist mein Spielzeug hingekommen?
Wo ist die Mama hingeschwommen?
Warum muss ich jetzt ins Bett?
Warum ist der Onkel nett
Aber die Tante ist es nicht?
Wieso verzieht die das Gesicht?
Warum riecht es hier so streng
Wieso ist meine Windel eng?

Ich wäre gern ein Kind
Weil Kinderwelten kleiner sind
Passt was nicht, weint man ein wenig
Und gleich ist man meist wieder König
Reicht das nicht, dann schreit man eben
Als ging es einem an das Leben
Danach freut man sich dann im Stillen
Jetzt hat man schließlich seinen Willen
Und wenn nicht wird man schnell abgelenkt
Weil der Opa Spielzeug schenkt
Oder wer Grimassen zieht
Oder was lustiges geschieht
Man kann soviel man will verschmutzen
Muss nicht aufräumen, nicht putzen

Am Tagesende wird man dann
Weil man kaum noch gucken kann
Ins Bett gesteckt samt Kuscheltier
Ein Elch vielleicht, oder ein Stier
Man kennt das Wort dafür ja nicht
Irgendwo brennt ein kleines Licht
Das böse Geister draussen hält
Aus unserer kleinen schönen Welt

Ich wär so gern wieder ein Kind
Weil Kinder einfach knuffig sind

Dem Ende entgegen (2)

Einen wunderschönen guten Abend,

über die positiven Reaktionen auf den ersten Teil habe ich mich sehr gefreut. Hier also nun Teil 2 von insgesamt vermutlich 11. Wie regelmäßig die neuen Teile kommen, kann ich noch nicht garantieren, aber ich werde versuchen, zumindest alle zwei Wochen einen neuen Teil zu veröffentlichen.
Ich wünsche allen, die meinen Blog verfolgen, einen guten Rutsch ins neue Jahr und ein paar hoffentlich freie Tage,

Grüße,
Larry deVito

Arno Wilhelm – Dem Ende entgegen – Download Kapitel 1 – 2

Kapitel 2

Zum tausendsten Mal starrte Micha auf den kleinen weißen Zettel, den ihm der Automat in der Klinik letzte Woche ausgedruckt hatte. Ein Stück Papier, nicht größer als ein Briefumschlag, unspektakulär eigentlich. Wenig Text, und doch so voller Information. Drei Punkte standen darauf, abgesehen von seinem Namen und seiner Identifikationsnummer. Der Name der Krankheit, mögliche Therapien und die Lebenserwartung. Unter den Worten „Bronchialkarzinom (spätes Stadium)“ hatte er sich zumindest in der Klinik noch nicht viel vorstellen können, auch wenn das mit dem späten Stadium nichts Gutes hatte erahnen lassen. Nur, dass die Bronchien etwas mit dem Brustkorb und dem Atmen zu tun hatten, daran hatte er sich dunkel erinnert.
Ganz anders verhielt es sich da mit den beiden Punkten darunter. Neben den Worten „Mögliche Therapien“ stand nur „Chemotherapie / keine“, was bedeutete, dass es zur Chemo keine Alternativen geben würde. Da hatte er bereits vermutet, dass ein Bronchialkarzinom irgendeine Art von Krebs war. Krebs war die einzige Krankheit von der er je gehört hatte, die mit Chemotherapie behandelt wurde. Der letzte der drei Punkte war es schließlich gewesen, der ihm den Angstschweiß auf die Stirn getrieben hatte.

„Lebenserwartung (mit / ohne Therapie): 4 Monate / 4 Monate“

stand dort, in dieser schnörkellosen, schwarzen Schrift. Er hatte es nicht glauben können. Die Apparate mussten sich geirrt haben, irgendwo musste hier ein gigantischer Fehler vorliegen. Doch das war unwahrscheinlich. Nicht ein einziges Mal in seinem ganzen Leben hatte er gehört, dass eines der diagnostischen Geräte sich geirrt oder einen Fehler gemacht hatte. Aber drei Monate? Sicher, er hatte in den vergangenen Monaten fast permanent Schmerzen gehabt, oft auch Schmerzen in der Brust, ab und zu ein bisschen Blut gehustet, aber deswegen hatte man doch noch lange keinen Krebs. Daran starb man doch nicht. Jeder hatte doch mal Schmerzen. Jetzt wünschte er sich, er wäre nie in diese Klinik gegangen. Stundenlang ein unangenehmer Test nach dem anderen, bis der komplette Checkup vollendet war. Auf dieser kalten Krankenbahre liegen, während die Geräte im Raum den Körper auf Krankheiten absuchen. Schließlich eine Viertelstunde Wartezeit, und dann wurde die Diagnose ausgegeben. Diese verdammte Diagnose. Das Wort Krebs schien sich selbst jetzt, eine Woche später, noch in seinen Augapfel eingebrannt zu haben. Auch wenn er die Augen schloss, war es noch da und verhöhnte ihn. Dieser kleine weiße Zettel hatte sein ganzes Leben auf den Kopf gestellt, all seine Pläne für die Zukunft zunichtewerden lassen. Was konnte er noch tun? Was fing man mit drei Monaten an, mit den drei letzten Monaten seines Lebens? Musste er jetzt nicht noch irgendetwas Bedeutsames tun?
Keinem Menschen auf der Welt hatte er bisher von dieser Sache erzählt. Seinen Eltern nicht, seiner Schwester nicht, und auch keinem seiner Freunde. 31 war doch kein Alter, in dem man Krebs bekam. War das nicht etwas für alte Leute? Als er von der Klinik nach Hause gekommen war, hatte er sich noch einmal vergewissert, dass er das Wort Bronchialkarzinom richtig interpretiert hatte.
Dann hatte er sich auf sein Bett gelegt und darüber nachgedacht, wie es nun weitergehen sollte. Nur eines war schnell klar gewesen: Chemotherapie wollte er keine. Darüber hatte er ein bisschen was in der Schule gelernt, und er erinnerte sich noch zu gut an all die Nebenwirkungen, die da aufgezählt gewesen waren. Wenn er nur noch drei Monate zu leben hatte, wollte er die mit Sicherheit nicht im Krankenhaus verbringen. Doch was konnte er mit ihnen anfangen? Genau genommen hatte er die ganze vergangene Woche so gut wie nichts anderes gemacht, als genau darüber nachzudenken. Gestern war er dann endlich zu einer Entscheidung gekommen, und hatte für den heutigen Abend den Termin ausgemacht. Wieviel Uhr es jetzt wohl war? Den ganzen Vormittag hatte er nicht gewagt, seine Armbanduhr aus dem Nachttisch zu holen, in dem Bewusstsein, dass der Abend langsam aber stetig näher rückte. Auch wenn die Schmerzen nach wie vor furchtbar waren, war er sich nicht vollkommen sicher, wie er seinem Entschluss von gestern gegenüber stand. Nicht sicher, ob es die richtige Entscheidung war, auch wenn er das Gefühl hatte, jeden Aspekt bedacht zu haben.
Er gab sich einen Ruck, stand auf und schleppte sich mühsam in die Küche. Leuchtend rot prangte ihm die Uhrzeit vom Herd entgegen. Viertel vor Eins. Erst letztes Jahr hatte er seine ganze Wohnung neu eingerichtet. Hätte er da gewusst, wie wenig Zeit ihm noch bleiben würde, dann hätte er sicher besseres mit seiner Zeit und seinem Geld anzufangen gewusst.
Das Thema Zeit schien immer mehr zu seinem Lieblingsthema aufzusteigen. Plötzlich war sie so kostbar. Dieses Bewusstsein machte ihm überhaupt erst klar, wie sehr er seine bisherige Lebenszeit vergeudet hatte. Unzählige Urlaube, an irgendwelchen Stränden Cocktails schlürfen, sich von den vollautomatischen Servierwagen mit Drinks und Snacks versorgen lassen und sich halb amüsiert und halb gelangweilt die Sonne auf den Pelz scheinen lassen. Auch in Berlin hatte er seine Zeit zum größten Teil dazu genutzt mit seinen wenigen Freunden zu quatschen, irgendwelchen Affären nachzutrauern und Bier in sich hineinzuschütten. Allzu regelmäßig war ihm am Monatsende seine Rente knapp geworden, das Geld das er sich dann von seinen Eltern geliehen hatte, würde er nun wohl nicht mehr zurückzahlen. Das war nun schon der zweite Punkt, bei dem ihm das Thema Geld durch den Kopf ging. Vorher hatte er sich doch auch nie groß Gedanken um Geld gemacht, warum jetzt auf einmal? Vermutlich klammerte man sich einfach automatisch an die materiellen Dinge, wenn man dabei war alles zu verlieren. Vielleicht waren die Gedanken dazu leichter zu ertragen, als das Bewusstsein, was er allzu bald noch alles verlieren würde. War das möglich? Ergab das Sinn?
Zeit spielte da schon eher eine wirklich große Rolle. Aber wie hätte er seine Zeit in den letzten Jahren besser nutzen können, als mit Affären, Urlauben und Feiern? Er hatte nie Hobbys gefunden, die richtig zu ihm passen wollten, auch wenn er in seiner Kindheit und Jugend alles ausprobiert hatte, was ihm in den Sinn gekommen war. Im Keller seiner Eltern stapelten sich die Relikte, die daran erinnerten: Ein Billard-Kö, zwei Tischtennis-Schläger, eine Blockflöte, die kaum je zum Einsatz gekommen war, mehrere Anzüge für Judo und Karate, Bausätze für kleine Roboter, ein Fußball und mehrere Basketball-Leichen, denen schon lange niemand mehr Luft zugeführt hatte. Nichts davon hatte ihn mehr als ein paar Monate bei der Stange halten können.
Ein plötzlicher Hustenanfall überkam ihn und er griff nach einem Taschentuch, um das Blut nicht in der ganzen Küche zu verteilen. Nur mit Mühe schaffte er es, seine Atmung wieder zu beruhigen. Dieser verfluchte Husten, es tat jedes Mal so verflucht weh, als würde ihm jemand die Lunge aus dem Leib reißen. Wenn er lag war es meistens auszuhalten, doch sobald er aufstand, konnte er den Hustenreiz kaum unterdrücken. Er versuchte sich wieder zu konzentrieren, zwang sich, an den Gedanken anzuknüpfen, dem er gerade nachgegangen war.
Gut, Hobbys waren nicht sein Fall, was blieb sonst noch groß? Arbeit hätte es für ihn doch eh keine gegeben, und die richtige Frau hatte er bisher auch nicht kennengelernt. Ein paar schöne Frauen waren dabei gewesen, das musste er sich eingestehen, aber keine von ihnen wäre interessant genug gewesen, um mit ihr das Leben zu verbringen. Ein Leben, von dem ihm nun sowieso nichts mehr bleiben würde. Was das anging, war er auch froh, keine Kinder in die Welt gesetzt zu haben. Er konnte sich kaum etwas Schrecklicheres vorstellen, als seinen Kindern sagen zu müssen, dass man bald nicht mehr da sein würde, um ihnen beim Aufwachsen zu helfen. Letzten Endes war es also vielleicht gar nicht so schlecht, dass es ihn traf, wenn es schon überhaupt jemanden treffen musste. Es gab so viel Technik, alles wurde vollautomatisch durchgeführt, ständig wurde von irgendwelchen neuen Errungenschaften berichtet. Wieso gab es überhaupt noch Krankheiten? Seit Tagen gingen ihm so viele Gedanken durch den Kopf, und er hatte so wenig Antworten dazu.
Tief in Gedanken blickte er durch das miserabel geputzte Fenster hinaus in die Welt. Alles sah aus wie immer, jeder ging seinen Geschäften nach und versuchte, dem nebligen, trüben Wetter möglichst schnell wieder zu entfliehen. Im Kiosk gegenüber hämmerte ein älterer Mann entnervt auf den Knöpfen des Service-Automaten herum, vermutlich hatte er irgendeinen Fehler bei der Bedienung gemacht und machte sich jetzt nicht die Mühe, die Fehlermeldung auf dem Display zu lesen. Unwillkürlich musste Micha lächeln. In den letzten Tagen hatte ihn die Vorstellung so sehr beschäftigt und traurig gemacht, dass ihn hier kaum jemand vermissen würde. Ein paar Freunde, seine Familie, sonst niemand. Aber aus Gründen, die er nicht nachvollziehen konnte, versöhnte der Anblick des alten Mannes, der nun immer wütender auf die Knöpfe einprügelte, ihn ein Stück weit mit der Welt.
Vielleicht sollte er sich einen Plan zurechtlegen, wie er diesen Tag angehen würde, dachte er, noch immer mit einem Lächeln im Gesicht. Er würde es seinen Eltern erzählen, ihnen von der Diagnose und dem Termin erzählen, beschloss er, doch was konnte er danach tun? In Gedanken wanderte er seine Lieblingsplätze in der ganzen Stadt ab und entschloss sich dann, in den Zoo zu gehen. Dort war er lange nicht gewesen, aus Faulheit hauptsächlich, doch die Tiere würden ihm helfen, auf andere Gedanken zu kommen und es sich selbst leichter zu machen. Danach konnte er sich ja noch ein bisschen durch die Stadt treiben lassen, bis es an der Zeit war.
Einen Augenblick überlegte er, ob er hinuntergehen und dem alten Mann, der mittlerweile mit hochrotem Kopf den Automaten anbrüllte, helfen sollte, doch er entschied sich dagegen. Schließlich war heute ein besonderer Tag. Jetzt wo er es endlich aus dem Bett geschafft hatte, wollte er nicht noch mehr kostbare Zeit vergeuden.

Dem Ende entgegen (1)

Einen wunderschönen guten Abend,

das Jahr neigt sich so langsam dem Ende und ich möchte ein kleines Weihnachtsgeschenk loswerden. Für mich war es ein großartiges Jahr, mit etlichen Auftritten auf Slams, Lesungen und meiner Lesebühne. Vielen Dank an alle, die hier mitgelesen haben. Ich hoffe, 2012 wird ebenso schön. So wie es aussieht, wird es in den nächsten Monaten auch noch eine Menge Neuigkeiten von meiner Seite zu erzählen geben.
Aber jetzt erstmal zum Geschenk:
Ich schreibe an einer neuen Kurzgeschichte, die ich hier auf dem Blog nach und nach veröffentlichen werde. Heute kommt das erste Kapitel. Die Geschichte spielt in der Zukunft und heißt „Dem Ende entgegen“.
Wer Kritik, Lob oder irgendetwas dazu zu sagen hat: Ich freue mich sehr über Mails an belaw@gmx.net, oder über Kommentare unter diesen Post.

Ich wünsche euch ein schönes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins Jahr 2012!

Gruß
Larry deVito

Arno Wilhelm – Dem Ende entgegen – Download Kapitel 1

Arno Wilhelm – Dem Ende entgegen

Kapitel 1

„Diese Entdeckung führte zu einem Umbruch, der bis heute in der gesamten Weltgeschichte einzigartig ist. Ein Einschnitt, der sich durch alle Bereiche der Wissenschaft und Wirtschaft zieht. In den Jahren danach ist die effektiv notwendige Anzahl der Beschäftigten weltweit auf knapp eineinhalbtausend gesunken. Die Tendenz ist nach wie vor fallend, weshalb mit der Zeit unter den Akademikern und Führungspersönlichkeiten ein immer härterer Kampf um die wenigen verbliebenen Arbeitsstellen entstand. Ein Kampf, dem auch Sie sich in wenigen Jahren werden stellen müssen.“
Tims Stimme hallte von den Wänden wieder. Das winzige Mikrofon an seiner Wange, das von den Plätzen der Studenten aus kaum zu erkennen war, verschaffte ihm ausreichend Lautstärke, um auch in den hintersten Reihen des Hörsaals noch verstanden zu werden. Über 200 Augenpaare ruhten auf ihm, in seinem schwarzen Anzug mit grauer quergestreifter Krawatte. Jede seiner Bewegungen, jedes Wort und jede Geste wurden genau beobachtet. Nicht ein einziger von ihnen wagte es, zu schlafen, oder im Geringsten unaufmerksam zu wirken, auch wenn sie den Stoff seiner Vorlesung vermutlich beinahe ebenso gut kannten, wie er selbst. Das Fach hieß „Geschichte der Weltwirtschaft III“ – von den Studenten meist nur kurz WeWi III genannt – und umfasste die Entwicklungen der globalen Ökonomie von 2100 bis heute. 89 ereignisreiche Jahre, in ein einziges Semester gezwängt. Eine Stoffdichte, die in modernen Hochleistungs-Studiengängen wie diesem durchaus üblich genannt werden konnte.
Die heutige Vorlesung war Tim die liebste des ganzen Semesters, da das Jahr 2105, das sie in dieser Sitzung behandelten, derart einschneidende Veränderungen in der Welt hinterlassen hatte, dass diese auch heute noch den Alltag jedes Menschen, egal ob Mann, Frau oder Kind, beeinflussten.
„Natürlich besteht seit damals für jeden von uns die Möglichkeit, mit Hilfe der staatlichen Sofortrente schlicht gar nicht mehr zu arbeiten.“, fuhr er nun fort. „Ein Luxus unserer Zeit, den über acht Milliarden Menschen Tag für Tag in Anspruch nehmen, doch ich vermute, dies kommt wohl für keinen von Ihnen in Frage.“
Verhaltenes Gelächter auf den Bänken. Eine derartige Vorstellung war für die hier Versammelten mehr als absurd.
„Das hatte ich mir gedacht. Gut, das war es für heute, denken Sie an die Essays bis kommenden Freitag. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit“
Die Studenten klopften respektvoll auf die Tische, dann packten sie alle leise ihre Unterlagen zusammen und verließen den Saal in die verschiedensten Richtungen. Heute kam niemand zu ihm nach vorne, um irgendwelche Fragen zu stellen oder über den Vorlesungsstoff zu diskutieren, und auch wenn ihn das verwunderte, war er doch froh darüber.
Gemächlich sammelte Tim die auf dem Pult vor ihm verteilten Notizen ein und schaltete den Projektor aus. Er zog seine goldene antike Taschenuhr hervor. Es war jetzt kurz nach Zwölf. Noch acht Stunden. Seine Mundwinkel verzogen sich kaum merklich zu einem bitteren Lächeln.
Für einen winzigen Augenblick blieben seine Augen auf den Buchstaben hängen, die in schwungvollen Lettern in die Rückseite der Uhr graviert waren.

H.F.

Helena hatte sie ihm zum ersten Hochzeitstag geschenkt. Damals, als sie noch glücklich gewesen waren. Dessen war er sich sicher, an diesen Tagen waren sie glücklich gewesen. Lange bevor auch nur einer von ihnen ein Wort wie „Scheidung“ zum ersten Mal gedacht oder in den Mund genommen hatte. Tim spürte, wie die Kopfschmerzen langsam wiederkehrten und kramte in seiner Tasche nach einer weiteren Aspirin. Die wievielte war es heute? Vielleicht die fünfte? Er zählte es nicht mehr, es war auch egal. Noch acht Stunden. Mit der Selbstbeherrschung, die er sich in den letzten drei Wochen zu eigen hatte machen müssen, um überhaupt weiter zu funktionieren und seinem Alltag nachgehen zu können, lenkte er seine Gedanken zurück in die Gegenwart. Schnell steckte er die Uhr wieder in sein Jackett, nahm seine Tasche und verließ den Hörsaal zügig. Nur für einen winzigen Augenblick hatte er sich gehen lassen, nur für einen klitzekleinen Moment, doch noch immer konnte er den Schmerz, daran zu denken, nicht ertragen. Irgendwie musste er diesen Tag überstehen. Kleine, übersichtliche Schritte. Das war jetzt das Entscheidende. Er stieß die Tür nach draußen auf, trat auf den Campus und sog geräuschlos die kalte Herbstluft in sich auf.
Sollte er seinen Wagen nehmen oder war es besser, sich heute fahren zu lassen? Spontan entschied sich Tim, seinen Porsche in der Uni-Tiefgarage stehen zu lassen. Jede Fahrt in den letzten Wochen war ein Kampf mit der Versuchung gewesen, etwas sehr dummes zu tun. Am heutigen Tag durfte er sich nicht zu dergleichen hinreißen lassen. Schon mit dem Gedanken zu spielen war keine gute Idee.
Auf der Straße hielt er ein vorbeifahrendes Taxi an, indem er einen Daumen hinausstreckte, wie es im vergangenen Jahrhundert oft die Anhalter am Straßenrand getan hatten. Die schwarze Mercedes-Limousine hielt an und er ließ sich auf dem Beifahrersitz nieder. Der Fahrersitz war leer, doch das überraschte Tim nicht. Jedes Taxi wurde ausschließlich über den zentralen Bordcomputer gesteuert, der dank der Leitlinien auf der Straße, sekundenaktuellen GPS-Bildern, zahlreichen Kameras und Sensoren seiner Aufgabe, einen sicher ans Ziel zu bringen, bestens gewachsen war. In den Touchscreen tippte Tim die Adresse seines Appartements in Schöneberg und das Taxi machte sich geräuschlos auf den Weg durch das herbstlich düstere Berlin.
All diese Technik, von der er seinen Studenten gerade noch erzählt hatte, war so einflussreich, so entscheidend für die Welt, und dennoch konnte sie bei der menschlichen Gefühlswelt nicht weiterhelfen. Egal wie revolutionär es damals gewesen war, als man begann, die natürlichen Rohstoffe massenweise künstlich zu reproduzieren und gleichzeitig die weltweit notwendigen Arbeitstätigkeiten auf Maschinen und Roboter zu verlagern. Sobald es um Liebe ging, um Trauer, konnte keine Technik der Welt etwas an den Grundfesten des Problems ändern. Es mochte heute Dating-Agenturen geben, die über chemische Bestandteile deiner Haut und stundenlange Psychoanalyse den einen perfekten Partner auf der Welt für dich fanden, und trotzdem war nicht garantiert ob die Beziehung glücklich enden würde. Perfektion war auf Gefühlsebene nicht notwendig, es ging vielmehr um Glück. Eine Form von Glück, bei der technische Überlegenheit nichts ausrichten konnte. Mit müden Augen beobachtete Tim die Stadt, wie sie an seinem Taxi vorbeizog, sah die Menschen in den Cafés und Restaurants sitzen und sich unterhalten. Wie gerne würde er doch zu ihnen gehören, dachte er voll Wehmut. Zu diesen einfachen Leuten, die tagein, tagaus nichts anderes taten, als sich miteinander zu verabreden, zu essen, zu trinken und irgendwelchen Hobbys nachzugehen. Wenig Schulbildung, wenig Antrieb, ein hohes Maß an Zufriedenheit. Die erste Generation hatte noch Schwierigkeiten gehabt, sich anzupassen, als sie fast alle ihre Jobs verloren hatten und von einem Tag auf den anderen jedermann die Grundrente ausbezahlt bekam. Vielen war es damals noch schwer gefallen, sich von dem Gedanken an Arbeit zu lösen, das wusste Tim aus den Erzählungen seiner Großeltern und aus alten Quellen an seinem Institut. Nur wenige hatten weitergemacht, geforscht und gearbeitet. Ein winziger Prozentsatz wurde noch benötigt um die Technik weiterzuentwickeln. Herstellung, Feinschliff, Programmierung, all das konnten heutzutage Roboter erledigen, doch tatsächlich auf neue Ideen zu kommen, neues zu erfinden, das war bisher technisch nicht ersetzbar gewesen.
Die Menschen in den Cafés sahen so entspannt aus, so glücklich, dachte Tim. Früher hatte er sich darüber nie Gedanken gemacht, wie es den Menschen ohne Arbeit ging. Er war stolz gewesen, zu den wenigen Auserwählten zu gehören, die die Forschung vorantrieben und die ein Leben kannten, das nicht nur aus Konsum und Freizeit bestand. Doch war es das wert? Die zahlreichen Stunden, Tage, Wochen, die er gearbeitet hatte – hätte er sie nicht besser mit Helena verbringen sollen? Um diesen mittlerweile vollkommen sinnlosen Punkt kreisten seine Gedanken nun schon seit Tagen wieder und wieder. Es war vorbei, und nichts in der Welt würde das mehr ändern können. Das waren ihre Worte gewesen.
Als das Taxi vor seinem Haus hielt, stieg er aus. Bezahlen war nicht nötig, das Taxi fuhr sofort weiter, als er ausgestiegen war. Zügig betrat er das Haus, fuhr mit dem Fahrstuhl nach oben und betrat seine Wohnung. Diese Wohnung voller Erinnerungen.
Noch sieben Stunden und vierzig Minuten, dachte er.

Termine (4)

Einen wunderschönen guten Abend,

am Mittwoch, den 15.12.2010 trete ich beim Insel Slam an. Es soll ein ganz wunderbarer Slam sein und mit Felix Römer als featured Poet, wird er das mit Sicherheit auch dieses Mal.

Ich wünsche frohe Feiertage oder so ähnlich und hoffe,
ich kann euch bald mal wieder viele neue Gedichte oder erste Infos über mein aktuelles, neues Buchprojekt präsentieren 🙂

Grüße

Larry deVito

Gedichtbuch: Arno Wilhelm – Schlicht & Ergreifend (1)


Einen wunderschönen guten Abend,

seit heute ist es offiziell, der Vertrag wurde vor ein paar Stunden unterzeichnet. Im Leonhard-Thurneysser-Verlag Berlin & Basel erscheint im letzten Quartal diesen Jahres mein Gedichtband der auf den Titel „Schlicht & Ergreifend“ hört. Er wird um die 100 Seiten haben und 8 € kosten und über mich, die Buchhandlung eures Vertrauens und über www.buchhandel.de zu erhalten sein. Etliche der Gedichte stehen oder standen mal hier auf dem Blog, allerdings stehen hier Gedichte die nicht im Buch sind und das Buch enthält Gedichte die nicht ihren Weg hierher gefunden haben, es muss ja interessant bleiben.
Ich hoffe auf jeden Fall dass der ein oder andere daran Interesse hat, ich werde hier weiter Infos posten sobald ich mehr zum Veröffentlichungsdatum oder ähnlichem weiß.

Mit bestem Gruße

Larry deVito