Gedichte (80)

Einen wunderschönen guten Morgen,
da ich mal wieder im Auftrag meiner Gesundheit unterwegs bin, gibt es ab heute die Fortsetzung der Gedichtreihe „Genesungslyrik“. Jeden Tag mindestens ein Gedicht, wobei sie sicherlich nicht alle thematisch damit zu tun haben werden.

Fühlt euch gegrüßt
Larry deVito

Genesungslyrik II – Teil 1

Mangelerscheinung

Morgens wenn ich halb noch schlafe
fehlt schon die Wärme neben mir
so kalt und leer, einsame Strafe
ich bin leider nicht bei dir

Wochen, Tage, Stunden,
das alles steht noch hier im Raum
schon jetzt zähl‘ ich die Sekunden
streich sie ab, des Nachts im Traum

Alles was hier fehlt bist du
den ganzen Tag von früh bis spät
am Tag und Nachts und immerzu
während zäh die Zeit vergeht
auf ihre schwerfällige Weise

Und ich sitz hier, ganz allein
hoff, am Ende dieser kleinen Reise
wird es das wert gewesen sein

Gedichte (39)

So, mit dem heutigen Tag endet die Reihe, die inzwischen fest den Titel ‚Genesungslyrik‘ bekommen hat. Morgen werde ich erfreulicherweise entlassen. Ein paar der Gedichte werden wohl auch den Weg ins Buch finden, das an Weihnachten 2010 erscheint. Jetzt wird die Rate an Postings auch wieder etwas abflachen, ich wünsche derweil Spaß mit dem letzten Gedicht aus dem Herzen eines Klinikums in der schönen Hauptstadt…

Gruß
Larry de Vito

Ungerecht

Mancher Menschen Seelenleben
ist so hässlich wie ihr Streben
nach Ruhm und Prunk und alledem
doch sie haben es bequem

Und liebe Menschen liegen hier
nach gut geführten, kurzen Leben
dem Ende nah, die Lippen beben
steter Zweifel nagt an mir

es liegt nicht an mir zu richten
alles was ich darf ist dichten
so vieles ist hier ungerecht
ich glaub manchmal,
die Welt ist schlecht

Gedichte (38)

Wir

Ich – ich liege
Infusionen die ich kriege
laufen mir in meinen Arm
wie so oft ist mir zu warm
um mich herum hängt in der Luft
Desinfektionsmittelduft
lieg auf meinem Bett und lerne
Gedanken schweifen in die Ferne

Du – du fehlst,
wie du mir von deinem Tag erzählst
Stunden bei mir sitzen bleibst
mir die lange Zeit vertreibst
ich hoffe du suchst nie das Weite
du tolle Frau an meiner Seite
mein‘ es auch ernst, wenn ich dir sag
ich bin so froh dass ich dich hab

Er – er grollte
weil er wieder heimwärts wollte
hat zu seiner Form gefunden
wartete heute nur noch Stunden
lang aufs Papier seiner Entlassung
dennoch, er trug es mit Fassung
und ging, wie könnt‘ es anders sein
nach Haus zu Frau und Töchterlein

Sie – sie schieben
von Arbeitsstreß vorangetrieben
Betten über die Station
Jahrelang geht das wohl schon
angestrengt, unterbesetzt
wirken permanent gehetzt
voll Arbeitskraft und ihrem Streben
sie halten die Station am Leben

Es – es endet
bald werde ich heimgesendet
man sagt wohl besser, werd‘ entlassen
kann es immernoch kaum fassen
bin quasi wieder quietschfidel
froh dass ich mich nicht mehr quäl‘
und lass‘ es euch im Paarreim wissen
ich werde das hier wohl nicht vermissen

Gedichte (37)

Dienstag

Natur im heißen Sommerkleid
erfüllt mich bis ins Mark
Es zerfliesst die Zeit
in diesem wunderschönen Park

Es kommt ein alter Mann vorbei
im Rollstuhl sitzt er, wird geschoben
die Glieder wirken schwer wie Blei
blickt aufmerksam, den Kopf erhoben

verwundert, doch er sieht schon richtig
die Augen sind durchaus noch tüchtig
wie dieser junge Mann da steht
bizarr, er hat’s genau im Ohr
ein Selbstgespräch führt der Poet
der liest sich laut Gedichte vor

Gedichte (36)

Erkenntnisse am frühen Abend

Wie Feuer brennen meine Lungen,
bin müde, matt und ausgewrungen,
Schmerz in meinem rechten Arm,
krieg wenig Luft, mir ist zu warm,

doch den meisten hier gehts schlecht
das Leben ist oft ungerecht
Krankheit täglich weit und breit
das betäubt mein Selbstmitleid

Gedichte (35)

Na bis jetzt klappt das ja ganz gut. Dieses Mal ist es ein nicht-autobiographisches Gedicht, ich habe das große Glück genug Besuch zu bekommen. „Lungenstations-und-Luftröhren-Lyrik“ ist momentan zu den Arbeitstiteln für diese Reihe hinzugekommen. Vorschläge werden per Kommentarfunktion natürlich freudestrahlend entgegen genommen, aktueller Favorit ist nach wie vor „Genesungslyrik“.

Kommen und Gehen

Es ist früher Nachmittag
die Stations-Besuchszeit naht
die Zimmer füllen sich mit Gästen
aus Ostberlin und aus’m Westen

Tag für Tag kommen sie wieder
Trauer drückt die Haltung nieder
schleichen vorbei, Leid im Gesicht,
Sorge die im Herzen sticht

besuchen Mutter, Vater, Lebenspartner
traurig vereint, ihr Weg ein harter
sitzen dann da, alle gemeinsam
ich liege hier, fühle mich einsam

die Seele ist nicht froh, nicht frei,
doch da, die Tür am Gang bewegt sich
vielleicht kommt heute wer vorbei
doch meine Hoffnung – nur noch kläglich
Vertrauen, Glaube, unerträglich
im täglich kranken Allerlei

Gedichte (34)

Samstag Mittag

Samstag Mittag, Deutschland spielt,
Fußball in Südafrika,
selbst die Krankenschwester schielt
zum Fernseher und schreit hurra,

wer unter den Wachen weilt,
und den keine OP ereilt,
schaut im Fernseher das Spiel,
selbst mir wäre es nicht mehr zuviel
dennoch schaue ich es nicht,
sehe mich nicht in der Pflicht,

Deutschland siegt, sicher zu Recht,
man sagte mir, es war nicht schlecht,
dem deutschen Fußball zuzuschauen
man hört Fans auf die Kacke hauen

Durch’s Fenster klingt in Stereo
Vuvuzela-Lärm zuhauf herein
doch manch Alter hört darin allein
Trompetenklang aus Jericho

Gedichte (33)

Hinein damit

Tropfen, Tropfen, Flüssigkeit,
die von Krankheit mich befreit,
läuft vom Tropf den Schlauch hinunter,
oft langsam doch auch schnell mitunter,

Am Ständer für die Infusion,
neben meinem Bett, hängt schon
der kleine Beutel für mein Glück,
bringt Gesundheit mir zurück,

Tropfen, Tropfen, Flüssigkeit,
macht sich in meinem Körper breit,
läuft vom Tropf den Schlauch hinunter,
macht müden Larry wieder munter,

Bis er wieder heimwärts geht,
sich das Leben neu versüßt,
in ihn kein Tropf, nur Whiskey, fliesst,
Genuss entsteht – dem Krankenhaus-Poet

Gedichte (32)

Mahlzeiten im Krankenhaus

Ein Bier das meine Lippen kühl benetzt,
sanft in meinen Rachen fliesst,
den Mundraum mit Geschmack versetzt
den der Kenner lang genießt

Eine Currywurst im Stillen,
handgeschnitten und besoßt,
soll meine Magengrube füllen,
bis der Blutdruck sich erbost

Ein Döner mit Huhn oder mit Rind
viel Fleisch und Zutaten zuhauf,
die alle frisch geschnitten sind,
und mit scharfer Würze drauf

Eine Pizza feinster Art,
selbst gebacken und belegt
alles wundervoll und zart
ein Traum der sich in mir regt

Von all dem kann man im Krankenhaus nur träumen
zu meinem Glück ist’s nur ein Stück
nicht weit entfernt hinter den Bäumen
steht mein liebstes Burgerhaus
und dahin reiss ich gern mal aus…

Gedichte (31)

So, hier kommt Gedicht Nummer zwei. Der Arbeitstiel reift heran, irgendwo zwischen „Lyrik aus Häusern deren Gesundheit angeschlagen ist“ und „Genesungslyrik“. Die ersten sind jetzt relativ ernst geraten, mal gucken ob ich in den nächsten Tagen nicht auch das ein oder andere mit besserer Stimmung fabrizieren kann.

Aus der Perspektive des Liegenden

Und wieder geht sie auf die Türe
und schon fliegt sie wieder zu
Früh gibt’s Brot und Konfitüre
Zum Mittag warmes Kalbsragout

Stets wird hin- und hergeräumt
Essen und Medikamente
kaum dass man kurz mal pennt und träumt
hustet hier wer, wackeln die Wände

Ein ruheloser Ort, ein Krankenhaus
will fort, werd schnell gesund
und dann nichts wie raus