Gedichte (91)

Genesungslyrik II – Teil 12

Ein bunter Hund

Wenn ich hier durch die Gänge streune
Fall‘ ich stets und ständig auf
Vom Durchschnittsalter bis zu mir
Gehen vierzig, fünfzig Jahre drauf

Die Kurklinik am Prerow-Strom
Ist mit Jugend dünn besät
Manch einer hier hat damals noch
zur Kaiserzeit das Korn gemäht

So mancher könnt‘ mir viel erzählen
Von Bismarck und den Kolonien
Doch er redet heut‘ nur noch
Von der Arthrose in den Knien

Wie ein bunter Hund bekannt
Jeder weiß hier wer ich bin
Ich bin jung, der Rest schon alt
Oder auf dem Weg dahin

Mancher hier hat viel erlebt
Erzählt von seiner ersten Ente
Familie gründen, Ruhestand
Nun sind die Enkel schon in Rente

Einer hat sogar erlebt
Erzählt er stolz seinem Besuch
Wie der erste Bond erschien
Doch nicht der Film, sondern das Buch

Wie ein bunter Hund bekannt
Jeder weiß hier wer ich bin
Ich bin jung, der Rest schon alt
Oder auf dem Weg dahin

So viel haben sie erlebt
Denk ich in ihrem Angesichte
Werd‘ bald gesund, dann geht’s zurück
In meine eigene Geschichte

Gedichte (89)

Genesungslyrik II – Teil 10

Vergissmeinnicht

Du bist nicht hier, ich sehne mich
nach Zeit zu zweit und aus mir spricht
Sehnsucht nach dir, ich liebe dich
Ach, schöne Frau, vergiss mein nicht!

Gedichte (88)

Genesungslyrik II – Teil 9

An manchen Tagen

An manchen Tagen schweige ich
Weil ich nichts zu sagen habe
Behalte jedes Wort für mich
So vieles wird umsonst gesagt

An manchen Tagen frage ich nicht
Weil ich nichts zu fragen habe
Behalte, was ich denk‘, für mich
So vieles wird unnütz gefragt

An manchen Tagen müsst‘ ich mich
laut echauffieren bei all dem Mist,
alles sagen was auf meiner Seele liegt,
sich stets vermehrt und so schwer wiegt
fragen was zu fragen ist
Aber dennoch schweige ich

Gedichte (87)

Genesungslyrik II – Teil 8

Abendrot

Die letzten Sonnenstrahlen
vergehen am Horizont
weichen der Nacht und malen
farbenprächtig und gekonnt

ein unfassbar schönes Bild
rot und orange ans Himmelszelt
dass es schnell zu fassen gilt
schon verdunkelt sich die Welt

schwarze Nacht umfängt die Sicht
die ersten Sterne sind zu sehen
all das für sich ist so schlicht
und dabei so ergreifend schön

Gedichte (86)

Genesungslyrik II – Teil 7

Holdes Antibiotikum

Ach du schöne Antibiose
egal ob Mann oder Mimose
bringst Gesundheit jedermann
jedem, der sie brauchen kann

egal ob Frau, ob kleines Kind
die Genesung kommt geschwind
jederzeit wirst du verschrieben
weil wir dich von Herzen lieben

bei Husten, Schnupfen, Heiserkeit
Krankheit, duck dich, sei bereit
wir schicken Antibiotika
bald schon bist du nicht mehr da

Nebenwirkung gibt es keine
alt und jung hilft’s auf die Beine
wer will schon ruhen, Fernseh gucken
man kann doch auch Tabletten schlucken

du bist so wundervoll und drum
liebes Antibiotikum
der du verscheuchst all uns’re Schmerzen
danken wir dir von ganzem Herzen

Gedichte (85)

Genesungslyrik II – Teil 6

Schilderwald

Kommt ein Tourist in diesen Ort
gibt es mancherlei zu sehen
ein kleines Schild am Hafen dort
lädt ein auf Schifffahrtstour zu gehen

Ein Zehner wird pro Fahrt kassiert
auf diesem Mississipi-Boote
Und wer ein Tier noch mit sich führt
zahlt Fünfundzwanzig Cent pro Pfote

An der Seebrücke hängt weiß und schlicht
ein kleines Schild mit großen roten
Lettern für Fahrradfahrer da und spricht:

Wer klar im Kopf ist, fährt hier nicht
Und für den Rest ist es verboten!

Gedichte (84)

Genesungslyrik II – Teil 5

Klimatherapie

Des Wandrers stete Schritte stapfen
Durch Dreck und kleine Tannenzapfen
Abgeworfene Blätter, Wasser
Sein Schuh wird nass und immer nasser

Alles so voller Natur
Eignet sich grandios zur Kur
Nun wollen wir mal loskurieren
Denkt er sich so beim marschieren

Wir atmen ein, wir atmen aus
Luft kommt herein und zieht hinaus
Dies wird noch mehrmals so getan
Voller Inbrunst und Elan

Doch dann wird es ihm langweilig
Sehnt sich nach Berlin zurück
Nach Internet und iPod Touch
statt guter Luft und Waldesmatsch

Handy, Facebook, Fernsehkiste
Die meterlange Stichpunktliste
Streß, vertrauter Straßentrubel
Spätkauf, Saturn, Hugendubel

Was soll er tun, hier an der See
vom Frühstück bis zum Mittagstee?
Ohne Planungsdruck, Zeitmangel
Hektik und S-Bahn-Platzgerangel

Wie soll man sich denn hier entspannen?
Zwischen all den stillen Tannen
Wo doch so gar nichts hier passiert
Man stets nur läuft, ins Leere stiert

Die Stille kommt ihm spanisch vor
So ohne Kopfhörer im Ohr
Ohne Technik, unverstärkt
Hat er sie noch nie bemerkt

Wie ging das noch, sich auszuruhen?
Was muss man denn dabei dann tun?
Wie entspannt man effektiv,
schnell und möglichst intensiv?

Das Entspannen strengt ihn an
Weil er es lang schon nicht mehr kann
Und so geht’s bald verspannt zurück
Ins schnellebige Großstadtglück

Gedichte (83)

Genesungslyrik II – Teil 4

Was man nicht kennt

Muss schlimm sein, diese Atemnot
sagt sie zu ihm beim Abendbrot

schlimm ist nur, was man nicht kennt
denkt er da leise, spricht’s nicht aus
was man vertraut beim Namen nennt
verliert an Einfluss und an Graus

Sind sicher furchtbar diese Schmerzen
sagt sie zu ihr, Mitleid im Herzen

schlimm ist nur, was man nicht kennt
was nicht vertraut ist und gewohnt
denkt sie leise, schweigt gehemmt
weil Reden sich ja doch nicht lohnt

Was man kennt, kann man ertragen
hört sie sich dann leise sagen
Nur der Rest, der Schmerz von Morgen,
der macht mir noch manchmal Sorgen

Gedichte (82)

Genesungslyrik II – Teil 3

Ein menschliches Stillleben

Ein alter Mann mit müden Augen
mit Knochen die zu nichts mehr taugen
und nettem Lächeln im Gesicht
hat Schmerzen, dennoch klagt er nicht
ein Rollator hilft, sich zu bewegen
Grüßt freundlich kommt er mir entgegen

und hätt‘ ich einen – ich zög‘ den Hut
vor seinem stolzen Lebensmut
auch noch in solchen schweren Tagen
den Kopf so aufrecht hoch zu tragen

Gedichte (81)

Genesungslyrik II – Teil 2

Gegen das Jammern

Manches ist auf dieser Welt
nicht so, wie ich’s mir vorgestellt
kaum einem ist die Kunst gegeben
das was er hat auch zu erleben

das Jammern fällt ihm nicht so schwer
geniessen doch dagegen sehr
zu jammern scheint auch dies‘ Gedicht
doch schliessen will ich damit nicht

ich freu mich heut mal ganz bewusst
der ungetrübten Lebenslust
zieh‘ die Luft ein in die Lungen
atme tief und ungezwungen
schau‘ mir schöne Landschaft an
und erfreue mich daran

Lauf am Meer landauf, landab
Sand und Dünen nicht zu knapp
Salz in der Luft und Sand im Schuh
Hier eine Mäh, da eine Muh,

Alles windet sich im Wind
Genieß‘ die Tage wie ein Kind
mit großen Augen und bewusst
voll ungetrübter Lebenslust

Leg mich dann früh am Abend hin
im Geiste hier und in Berlin

Genieße meine kleine Welt
und bevor Schlaf mich befällt
kommt ein Gedanke bei mir an
erfreue mich noch kurz daran
dann schlaf ich lächelnd tief und fest

die Welt ist schön, wenn man sie lässt