Gedichte (101)

Genesungslyrik II – Teil 22

Adieu

Ich hör am Strand das Meeresrauschen
Und sage ihm Auf Wiedersehen
Kann ein letztes Mal ihm lauschen
Morgen wird’s Zeit heimzugehen

Dankbar bin ich für die Zeit
Hinter Rostock und Schwerin
Bin für die Rückkehr nun bereit
In mein wunderschönes, hässliches
und unvergessliches Berlin

Gedichte (100)

Es ist mal wieder Jubiläumszeit. Heute erscheint das 100. Gedicht auf diesem Blog und geht auch der Gedichtzyklus „Genesungslyrik II“ dem Ende entgegen. 100 Gedichte seit Anfang 2007, dankeschön an jeden einzelnen, der mal auf dieser Seite war, es macht mir auch nach vier Jahren noch viel Spaß diesen Blog zu führen.

Mit den besten Grüßen
Larry deVito 

Genesungslyrik II – Teil 21

Die Angst vor morgen

Im Magen braut sich ein Gewitter
Aus Leid und Schuldgefühl zusammen
Frust schmeckt bitter
Und der klammen
Hände zittern offenbart die Sorgen
Um Existenz und Lebensmut
Die Angst vor morgen
Eine kleine Prise Wut

Auf den, der das alles hier verteilt
Glück gibt und nimmt und frei entscheidet
Wen das Schicksal bald ereilt
Wer lacht, wer liebt und wer noch leidet

Wenn der Morgen graut ist das Aufgeben so nah
Und trotzdem muss es weitergehen
Denn noch ist’s wahr, sie dreht sich doch
Und dass es einmal besser wird
Dafür lohnt es sich aufzustehen

Gedichte (99)

Genesungslyrik II – Teil 20

Schweigen ist Gold

Er redet viel und sagt nur wenig
Er fühlt sich dabei wie ein König
Und ist doch nur der siebte Zwerg
Das fünfte Rad, ein Stein am Berg

Malt güld’ne Bilder mit den Worten
Die mich einfach nicht begeistern 
Denn stets will er nur allerorten
Sein Antlitz an die Wände kleistern

Ich denk dabei an Winnetou und längst vergangene Zeiten
An Shatterhand und wie sie durch den Wilden Westen reiten
Und was die Bücher dem Leser dabei zeigen:

Das höchste Gut ist oft das Schweigen

Gedichte (98)

Genesungslyrik II – Teil 19

Rückblick

So viel Veränderung, so viele Jahre,
Gedanken an längst verlorene Zeiten
Erinnerung, die ich bis heut‘ bewahre
Große Momente, wundervolle Kleinigkeiten

Ich bin nicht mehr, der ich einst war
Werd‘ es auch niemals wieder sein
Doch die Erinnerung, sie ist noch klar
Sie lässt mich niemals allein

Gedichte (97)

Genesungslyrik II – Teil 18

Späte Tanzwut

Freitag Abend, heut‘ geht’s los
die Rentner rufen auf zum Tanz
frisch aufgetakelt und furios
erwecken ihrer Jugend Glanz

Sie fegen furchtlos hin und her
Gehhilfen hoch in die Luft
tagsüber geht gar nichts mehr
jetzt weht hier Kölsch-Wasser-Duft

Legen ’ne heiße Sohle auf
Walzer, Tango, Slowfox, Jive
Blessuren nehmen sie in Kauf
die Alten geben sich High-Five

Jeden Tanz bekomm’se hin
die Prothesen festgezurrt
haben die guten Zähne drin
keiner der hier mault und murrt

Ein bisschen Heino und Roy Black
ich war noch niemals in New York
noch was von Dieter-Thomas Heck
schon wird neuer Wein entkorkt

Die ganze Klinik dreht am Rad
man tritt einander auf den Fuß
und wer keinen Partner hat
tanzt den Rollator-Klammerblues

Gedichte (96)

Genesungslyrik II – Teil 17

Entschleunigung

Tabletten nehmen, inhalieren
Atemhilfsmuskeln trainieren
Essen und am Strand spazieren
Fahrradfahren, meditieren

Entschleunigung wie nie zuvor
Gesundheit steigt stetig empor
Die Langeweile schlägt mich nieder
Wann krieg ich meinen Alltag wieder?

Gedichte (95)

Genesungslyrik II – Teil 16

Auf Lungenkur

Tagtäglich sieht man manche Leut‘
Dank Seeluft frei von Atemnot
Und rauchen dafür wie ein Schlot
Weil sie das so sehr erfreut

Atem klingt als gäb’s kein Morgen
Wer macht sich schon ums Atmen sorgen?
Verbrauchen Kippen nicht zu knapp
Herr, schmeiß‘ bitte Hirn herab!

Gedichte (94)

Genesungslyrik II – Teil 15

Des Alters Weisheit

Ein neuer Tag, Ein neues Glück
Woher soll den Mut ich nehmen?
Den Blick nach vorne, nicht zurück
Ein Geist voll Sorgen, die mich lähmen

Muss mich für einen Weg entscheiden
In meinem Kopf nimmt Nebel mir die Sicht
Will jeden falschen Tritt vermeiden
Doch leider sehe ich die Zukunft nicht

Die Menschen hier um mich herum
Haben schon so viel zu erzählen
Ich dagegen bleibe stumm
Welchen Weg werde ich wählen?

Jung zu sein, von Vorfreude erfüllt
An manchen Tagen tauscht‘ ich’s gerne ein
Gegen die Zeit, wenn die Begierde schon gestillt
Werd‘ ich mit meiner Wahl zufrieden sein?

Selig lächelnd auf das Leben sehen
Im Geist die schönen Tage neu durchleben
Oder werd‘ ich froh sein dann zu gehen?
Mich dem vergessen anheimgeben?

Mir bleibt wohl nichts, als Schritt für Schritt
Den Weg genau zu untersuchen
Auf Rutschgefahr und festen Tritt
frohlocken, lachen, laut zu fluchen
Und mich dem Leben hinzugeben

Gedichte (93)

Genesungslyrik II – Teil 14

Waagemut

Schon seit Tagen will ich mich nicht mehr auf die Waage wagen
Muss mich fragen was kann und wird mir wohl die Waage sagen
Hab Angst die Waage wird mich nicht mehr tragen
Sollt‘ meinen Magen kleiner machen und der Waag‘ entsagen
Sonst wird der Wanst schon bald über die Waage ragen
Werd‘ Kopf und Kragen wagen und chirurgisch Fett von Bauch und Magen tragen
Will verzagen, dieser Waage Waagenmacher unverhofft verklagen
Muss nun den Tag voll Festgelagen aus dem Kopf mir schlagen
Darf kein Fleisch für meinen Magen jagen
Dafür wie ein Kaninchen Tag für Tag an Möhren nagen
Mich mit Sport und Muskelaufbau plagen
Bis die Pfunde, die ungefragt auf meiner Hüfte lagen
Schlag auf Schlag vollständig abgetragen
Dann muss ich zum Glück nicht mehr verzagen
Und darf mich wieder auf die Waage wagen

Gedichte (92)

Genesungslyrik II – Teil 13

Die seltene Freude über ein defektes technisches Gerät

Wenn solch ein Moment entsteht
in dem mein traumhafter Computer
oder eines seiner Teile
mal eben und in aller Eile
flugs über den Jordan geht
werd‘ ich meist rot wie ein Puter

Fluche, schrei‘ wütenderweise
tiefer Frust ist’s, der mich leitet
und Sorge um das schöne Geld
die mich dann stets spontan befällt
doch dieses Mal blieb ich ganz leise
denn es hat mir Spaß bereitet

Nicht, dass ich froh gewesen wäre
der Laptop-Bildschirm ist nun hin
doch die Lösung war recht schlau
denn ein Besuch der Frau,
nach der ich mich verzehre,
macht auf einmal so viel Sinn

Ein Informatiker ohne PC
ist vom Leben abgerissen
und mit uns’rer Einsamkeit
ergab das Grund genug, das Leid
zu lindern, sie kam zu mir an die See
musst‘ sie nicht noch mehr vermissen

Sie bracht‘ mir ’nen PC-Ersatz
auf dem ich diese Zeilen dichte
so waren wir für ein paar Tage
glücklich vereint und ohne Klage
Moral scheint hier nicht fehl am Platz
zu dieser kleinen Geschichte

So sag ich recht und sehr belesen:
Nichts im Leben war so schlecht,
dass es für nichts gut gewesen