Gedichte (94)

Genesungslyrik II – Teil 15

Des Alters Weisheit

Ein neuer Tag, Ein neues Glück
Woher soll den Mut ich nehmen?
Den Blick nach vorne, nicht zurück
Ein Geist voll Sorgen, die mich lähmen

Muss mich für einen Weg entscheiden
In meinem Kopf nimmt Nebel mir die Sicht
Will jeden falschen Tritt vermeiden
Doch leider sehe ich die Zukunft nicht

Die Menschen hier um mich herum
Haben schon so viel zu erzählen
Ich dagegen bleibe stumm
Welchen Weg werde ich wählen?

Jung zu sein, von Vorfreude erfüllt
An manchen Tagen tauscht‘ ich’s gerne ein
Gegen die Zeit, wenn die Begierde schon gestillt
Werd‘ ich mit meiner Wahl zufrieden sein?

Selig lächelnd auf das Leben sehen
Im Geist die schönen Tage neu durchleben
Oder werd‘ ich froh sein dann zu gehen?
Mich dem vergessen anheimgeben?

Mir bleibt wohl nichts, als Schritt für Schritt
Den Weg genau zu untersuchen
Auf Rutschgefahr und festen Tritt
frohlocken, lachen, laut zu fluchen
Und mich dem Leben hinzugeben

Gedichte (93)

Genesungslyrik II – Teil 14

Waagemut

Schon seit Tagen will ich mich nicht mehr auf die Waage wagen
Muss mich fragen was kann und wird mir wohl die Waage sagen
Hab Angst die Waage wird mich nicht mehr tragen
Sollt‘ meinen Magen kleiner machen und der Waag‘ entsagen
Sonst wird der Wanst schon bald über die Waage ragen
Werd‘ Kopf und Kragen wagen und chirurgisch Fett von Bauch und Magen tragen
Will verzagen, dieser Waage Waagenmacher unverhofft verklagen
Muss nun den Tag voll Festgelagen aus dem Kopf mir schlagen
Darf kein Fleisch für meinen Magen jagen
Dafür wie ein Kaninchen Tag für Tag an Möhren nagen
Mich mit Sport und Muskelaufbau plagen
Bis die Pfunde, die ungefragt auf meiner Hüfte lagen
Schlag auf Schlag vollständig abgetragen
Dann muss ich zum Glück nicht mehr verzagen
Und darf mich wieder auf die Waage wagen

Gedichte (92)

Genesungslyrik II – Teil 13

Die seltene Freude über ein defektes technisches Gerät

Wenn solch ein Moment entsteht
in dem mein traumhafter Computer
oder eines seiner Teile
mal eben und in aller Eile
flugs über den Jordan geht
werd‘ ich meist rot wie ein Puter

Fluche, schrei‘ wütenderweise
tiefer Frust ist’s, der mich leitet
und Sorge um das schöne Geld
die mich dann stets spontan befällt
doch dieses Mal blieb ich ganz leise
denn es hat mir Spaß bereitet

Nicht, dass ich froh gewesen wäre
der Laptop-Bildschirm ist nun hin
doch die Lösung war recht schlau
denn ein Besuch der Frau,
nach der ich mich verzehre,
macht auf einmal so viel Sinn

Ein Informatiker ohne PC
ist vom Leben abgerissen
und mit uns’rer Einsamkeit
ergab das Grund genug, das Leid
zu lindern, sie kam zu mir an die See
musst‘ sie nicht noch mehr vermissen

Sie bracht‘ mir ’nen PC-Ersatz
auf dem ich diese Zeilen dichte
so waren wir für ein paar Tage
glücklich vereint und ohne Klage
Moral scheint hier nicht fehl am Platz
zu dieser kleinen Geschichte

So sag ich recht und sehr belesen:
Nichts im Leben war so schlecht,
dass es für nichts gut gewesen

Gedichte (91)

Genesungslyrik II – Teil 12

Ein bunter Hund

Wenn ich hier durch die Gänge streune
Fall‘ ich stets und ständig auf
Vom Durchschnittsalter bis zu mir
Gehen vierzig, fünfzig Jahre drauf

Die Kurklinik am Prerow-Strom
Ist mit Jugend dünn besät
Manch einer hier hat damals noch
zur Kaiserzeit das Korn gemäht

So mancher könnt‘ mir viel erzählen
Von Bismarck und den Kolonien
Doch er redet heut‘ nur noch
Von der Arthrose in den Knien

Wie ein bunter Hund bekannt
Jeder weiß hier wer ich bin
Ich bin jung, der Rest schon alt
Oder auf dem Weg dahin

Mancher hier hat viel erlebt
Erzählt von seiner ersten Ente
Familie gründen, Ruhestand
Nun sind die Enkel schon in Rente

Einer hat sogar erlebt
Erzählt er stolz seinem Besuch
Wie der erste Bond erschien
Doch nicht der Film, sondern das Buch

Wie ein bunter Hund bekannt
Jeder weiß hier wer ich bin
Ich bin jung, der Rest schon alt
Oder auf dem Weg dahin

So viel haben sie erlebt
Denk ich in ihrem Angesichte
Werd‘ bald gesund, dann geht’s zurück
In meine eigene Geschichte

Gedichte (89)

Genesungslyrik II – Teil 10

Vergissmeinnicht

Du bist nicht hier, ich sehne mich
nach Zeit zu zweit und aus mir spricht
Sehnsucht nach dir, ich liebe dich
Ach, schöne Frau, vergiss mein nicht!

Gedichte (88)

Genesungslyrik II – Teil 9

An manchen Tagen

An manchen Tagen schweige ich
Weil ich nichts zu sagen habe
Behalte jedes Wort für mich
So vieles wird umsonst gesagt

An manchen Tagen frage ich nicht
Weil ich nichts zu fragen habe
Behalte, was ich denk‘, für mich
So vieles wird unnütz gefragt

An manchen Tagen müsst‘ ich mich
laut echauffieren bei all dem Mist,
alles sagen was auf meiner Seele liegt,
sich stets vermehrt und so schwer wiegt
fragen was zu fragen ist
Aber dennoch schweige ich

Gedichte (87)

Genesungslyrik II – Teil 8

Abendrot

Die letzten Sonnenstrahlen
vergehen am Horizont
weichen der Nacht und malen
farbenprächtig und gekonnt

ein unfassbar schönes Bild
rot und orange ans Himmelszelt
dass es schnell zu fassen gilt
schon verdunkelt sich die Welt

schwarze Nacht umfängt die Sicht
die ersten Sterne sind zu sehen
all das für sich ist so schlicht
und dabei so ergreifend schön

Gedichte (86)

Genesungslyrik II – Teil 7

Holdes Antibiotikum

Ach du schöne Antibiose
egal ob Mann oder Mimose
bringst Gesundheit jedermann
jedem, der sie brauchen kann

egal ob Frau, ob kleines Kind
die Genesung kommt geschwind
jederzeit wirst du verschrieben
weil wir dich von Herzen lieben

bei Husten, Schnupfen, Heiserkeit
Krankheit, duck dich, sei bereit
wir schicken Antibiotika
bald schon bist du nicht mehr da

Nebenwirkung gibt es keine
alt und jung hilft’s auf die Beine
wer will schon ruhen, Fernseh gucken
man kann doch auch Tabletten schlucken

du bist so wundervoll und drum
liebes Antibiotikum
der du verscheuchst all uns’re Schmerzen
danken wir dir von ganzem Herzen

Gedichte (85)

Genesungslyrik II – Teil 6

Schilderwald

Kommt ein Tourist in diesen Ort
gibt es mancherlei zu sehen
ein kleines Schild am Hafen dort
lädt ein auf Schifffahrtstour zu gehen

Ein Zehner wird pro Fahrt kassiert
auf diesem Mississipi-Boote
Und wer ein Tier noch mit sich führt
zahlt Fünfundzwanzig Cent pro Pfote

An der Seebrücke hängt weiß und schlicht
ein kleines Schild mit großen roten
Lettern für Fahrradfahrer da und spricht:

Wer klar im Kopf ist, fährt hier nicht
Und für den Rest ist es verboten!

Gedichte (84)

Genesungslyrik II – Teil 5

Klimatherapie

Des Wandrers stete Schritte stapfen
Durch Dreck und kleine Tannenzapfen
Abgeworfene Blätter, Wasser
Sein Schuh wird nass und immer nasser

Alles so voller Natur
Eignet sich grandios zur Kur
Nun wollen wir mal loskurieren
Denkt er sich so beim marschieren

Wir atmen ein, wir atmen aus
Luft kommt herein und zieht hinaus
Dies wird noch mehrmals so getan
Voller Inbrunst und Elan

Doch dann wird es ihm langweilig
Sehnt sich nach Berlin zurück
Nach Internet und iPod Touch
statt guter Luft und Waldesmatsch

Handy, Facebook, Fernsehkiste
Die meterlange Stichpunktliste
Streß, vertrauter Straßentrubel
Spätkauf, Saturn, Hugendubel

Was soll er tun, hier an der See
vom Frühstück bis zum Mittagstee?
Ohne Planungsdruck, Zeitmangel
Hektik und S-Bahn-Platzgerangel

Wie soll man sich denn hier entspannen?
Zwischen all den stillen Tannen
Wo doch so gar nichts hier passiert
Man stets nur läuft, ins Leere stiert

Die Stille kommt ihm spanisch vor
So ohne Kopfhörer im Ohr
Ohne Technik, unverstärkt
Hat er sie noch nie bemerkt

Wie ging das noch, sich auszuruhen?
Was muss man denn dabei dann tun?
Wie entspannt man effektiv,
schnell und möglichst intensiv?

Das Entspannen strengt ihn an
Weil er es lang schon nicht mehr kann
Und so geht’s bald verspannt zurück
Ins schnellebige Großstadtglück