Gedichte (104)

Langer Atem

Die zarte Morgenröte
Die am Horizont erglüht
Wo die aufsteigende Sonne
Leuchtend ihren Glanz versprüht

Man hört der Vögel leises Zwitschern
Es rauscht sanft im Blätterdach
Der Himmel blau und wolkenlos
In dem Moment werde ich wach

Dieser Woche zweiter Tag
Schickt sich an, recht zu beginnen
Schließt mit der achten Stunde ab
Bin noch verträumt und wie von Sinnen

Just in diesem Augenblick
Trifft mich der Sonnenstrahlen Schein
Und ein Gedanke zieht vorbei:
So langatmig kann Lyrik sein

Zaubert Bilder für den Leser
Voller Schönheit, voller Macht
In Prosa hieß es kurz und knapp:

Dienstag Morgen, kurz nach acht
Bin gerade aufgewacht.

Gedichte (103)

Stimmungscocktail

Schon an der Stimme kann ich’s hören
Vom ersten Wort an war’s mir klar
Nuancen, die die Laune stören
Vorwurfsvoll, subtil und wahr

Es liegt heut etwas in der Luft
Schwebt herum, drückt aufs Gemüt
Kein süßlich-schöner Blumenduft
Wie er auf Sommerwiesen blüht

Es riecht nach unterdrücktem Frust
Mit einem Tropfen Bitterkeit
Im Abgang ein Hauch Streiteslust
Dazu noch ein Schuss Selbstmitleid

Und ich kann den Streit schon ahnen
Wie er von Fern herüber zieht
Worte, die mich streng ermahnen
Wie es manches Mal geschieht

Ich habe mich wohl falsch verhalten
Mich nicht betragen wie erhofft
Die Stirn zieht sich in tiefe Falten
Die Miene steinern wie so oft

Nicht wie man’s von mir erwartet
Gehorsamst meine Pflicht erfüllt
Bevor die Streiterei nun startet
Ist man leider nicht gewillt
Mir mitzuteilen was gewesen
Worin mein Fehlverhalten lag
Würd‘s gern wissen, gerne lesen
Was man mir vorwirft jeden Tag

Und ich denk‘ ganz still bei mir
Wie schön wären doch Vorwurfslisten
Von früher bis ins jetzt und hier
Den Geist mal gründlich auszumisten

Für jedermann frei einsehbar
Das Web 2.0 in Tadel-Form
Knapp, präzise und ganz klar
Nachvollziehbar und nach Norm

Perfekt nach Tag und Jahr sortiert
Dann wüsst‘ ich jetzt was Sache ist
Könnt reagieren statt irritiert
Bis das Selbstmitleid mich frisst

Hier zu stehen, dem Frust zu lauschen
Der sich über mir ergießt
Beginnt sich selber aufzubauschen
Und die Laune mir vermiest

So schwelg‘ ich in Gedanken
In dieser schlechten Witterung
Seh mein Selbstbewusstsein wanken
Und sag pauschal: Entschuldigung

Gedichte (102)

Ich wäre gern ein Kind

An langen arbeitsreichen Tagen
Ohne Antwort, voller Fragen
Ohne Ruhe, voller Müh
Arbeitsam von morgens früh
Stetig bis zur späten Nacht
Wenn nichts passiert was fröhlich macht
Dann kommt’s mir manchmal in den Sinn
Wär gerne anders als ich bin

Ich wäre gern ein Kind
Weil Kinder einfach einfach sind
Jünger, kleiner, faltenfrei
Die Welt wäre mir einerlei

Auf kurzen Beinen würd‘ ich stehen
Würd‘ den Tellerrand kaum sehen
Doch große Sorgen hätt‘ ich auch:

Was drückt und zieht in meinem Bauch?
Wo ist mein Spielzeug hingekommen?
Wo ist die Mama hingeschwommen?
Warum muss ich jetzt ins Bett?
Warum ist der Onkel nett
Aber die Tante ist es nicht?
Wieso verzieht die das Gesicht?
Warum riecht es hier so streng
Wieso ist meine Windel eng?

Ich wäre gern ein Kind
Weil Kinderwelten kleiner sind
Passt was nicht, weint man ein wenig
Und gleich ist man meist wieder König
Reicht das nicht, dann schreit man eben
Als ging es einem an das Leben
Danach freut man sich dann im Stillen
Jetzt hat man schließlich seinen Willen
Und wenn nicht wird man schnell abgelenkt
Weil der Opa Spielzeug schenkt
Oder wer Grimassen zieht
Oder was lustiges geschieht
Man kann soviel man will verschmutzen
Muss nicht aufräumen, nicht putzen

Am Tagesende wird man dann
Weil man kaum noch gucken kann
Ins Bett gesteckt samt Kuscheltier
Ein Elch vielleicht, oder ein Stier
Man kennt das Wort dafür ja nicht
Irgendwo brennt ein kleines Licht
Das böse Geister draussen hält
Aus unserer kleinen schönen Welt

Ich wär so gern wieder ein Kind
Weil Kinder einfach knuffig sind

Gedichte (101)

Genesungslyrik II – Teil 22

Adieu

Ich hör am Strand das Meeresrauschen
Und sage ihm Auf Wiedersehen
Kann ein letztes Mal ihm lauschen
Morgen wird’s Zeit heimzugehen

Dankbar bin ich für die Zeit
Hinter Rostock und Schwerin
Bin für die Rückkehr nun bereit
In mein wunderschönes, hässliches
und unvergessliches Berlin

Gedichte (100)

Es ist mal wieder Jubiläumszeit. Heute erscheint das 100. Gedicht auf diesem Blog und geht auch der Gedichtzyklus „Genesungslyrik II“ dem Ende entgegen. 100 Gedichte seit Anfang 2007, dankeschön an jeden einzelnen, der mal auf dieser Seite war, es macht mir auch nach vier Jahren noch viel Spaß diesen Blog zu führen.

Mit den besten Grüßen
Larry deVito 

Genesungslyrik II – Teil 21

Die Angst vor morgen

Im Magen braut sich ein Gewitter
Aus Leid und Schuldgefühl zusammen
Frust schmeckt bitter
Und der klammen
Hände zittern offenbart die Sorgen
Um Existenz und Lebensmut
Die Angst vor morgen
Eine kleine Prise Wut

Auf den, der das alles hier verteilt
Glück gibt und nimmt und frei entscheidet
Wen das Schicksal bald ereilt
Wer lacht, wer liebt und wer noch leidet

Wenn der Morgen graut ist das Aufgeben so nah
Und trotzdem muss es weitergehen
Denn noch ist’s wahr, sie dreht sich doch
Und dass es einmal besser wird
Dafür lohnt es sich aufzustehen

Gedichte (99)

Genesungslyrik II – Teil 20

Schweigen ist Gold

Er redet viel und sagt nur wenig
Er fühlt sich dabei wie ein König
Und ist doch nur der siebte Zwerg
Das fünfte Rad, ein Stein am Berg

Malt güld’ne Bilder mit den Worten
Die mich einfach nicht begeistern 
Denn stets will er nur allerorten
Sein Antlitz an die Wände kleistern

Ich denk dabei an Winnetou und längst vergangene Zeiten
An Shatterhand und wie sie durch den Wilden Westen reiten
Und was die Bücher dem Leser dabei zeigen:

Das höchste Gut ist oft das Schweigen

Gedichte (98)

Genesungslyrik II – Teil 19

Rückblick

So viel Veränderung, so viele Jahre,
Gedanken an längst verlorene Zeiten
Erinnerung, die ich bis heut‘ bewahre
Große Momente, wundervolle Kleinigkeiten

Ich bin nicht mehr, der ich einst war
Werd‘ es auch niemals wieder sein
Doch die Erinnerung, sie ist noch klar
Sie lässt mich niemals allein

Gedichte (97)

Genesungslyrik II – Teil 18

Späte Tanzwut

Freitag Abend, heut‘ geht’s los
die Rentner rufen auf zum Tanz
frisch aufgetakelt und furios
erwecken ihrer Jugend Glanz

Sie fegen furchtlos hin und her
Gehhilfen hoch in die Luft
tagsüber geht gar nichts mehr
jetzt weht hier Kölsch-Wasser-Duft

Legen ’ne heiße Sohle auf
Walzer, Tango, Slowfox, Jive
Blessuren nehmen sie in Kauf
die Alten geben sich High-Five

Jeden Tanz bekomm’se hin
die Prothesen festgezurrt
haben die guten Zähne drin
keiner der hier mault und murrt

Ein bisschen Heino und Roy Black
ich war noch niemals in New York
noch was von Dieter-Thomas Heck
schon wird neuer Wein entkorkt

Die ganze Klinik dreht am Rad
man tritt einander auf den Fuß
und wer keinen Partner hat
tanzt den Rollator-Klammerblues

Gedichte (96)

Genesungslyrik II – Teil 17

Entschleunigung

Tabletten nehmen, inhalieren
Atemhilfsmuskeln trainieren
Essen und am Strand spazieren
Fahrradfahren, meditieren

Entschleunigung wie nie zuvor
Gesundheit steigt stetig empor
Die Langeweile schlägt mich nieder
Wann krieg ich meinen Alltag wieder?

Gedichte (95)

Genesungslyrik II – Teil 16

Auf Lungenkur

Tagtäglich sieht man manche Leut‘
Dank Seeluft frei von Atemnot
Und rauchen dafür wie ein Schlot
Weil sie das so sehr erfreut

Atem klingt als gäb’s kein Morgen
Wer macht sich schon ums Atmen sorgen?
Verbrauchen Kippen nicht zu knapp
Herr, schmeiß‘ bitte Hirn herab!